Liebe und Verrat - 2
leicht, weil ich einfach keine Wahl habe.
Ich zügle mein Pferd und wende mich um, stelle mich den Hunden entgegen.
Zunächst liegt die Lichtung vor meinen Augen verlassen da. Aber ich höre sie kommen, und ich nutze die Gnadenfrist, die mir bleibt, um meinen Bogen zur Hand zu nehmen und einen Pfeil aus dem Rucksack zu ziehen. Ich lege ihn an und ziehe die Sehne zurück – Bewegungen, die mir in Fleisch und Blut übergegangen sind, obwohl all meine Schießübungen in Whitney Grove mich nicht auf den Anblick des Ungeheuers vorbereiten konnten, das jetzt durch die Bäume bricht.
Es ist ganz und gar nicht das, was ich erwartet habe. Die Kreatur ist nicht schwarz mit roten Augen, wie ich mir einen Höllenhund vorstellte. Nein. Nur die Ohren glühen feurig rot; der Rest des Fells ist weiß und glänzt wie Kristall. Der Gedanke, dass ein solches Ungeheuer, das beinahe so groß ist wie Sargent, ein so reines, jungfräuliches Fell hat, ist schwer vorstellbar. Fast hätte ich mich versucht gefühlt, den herrlichen Pelz zu streicheln, nicht zuletzt wegen der Augen. Sie sind grün, smaragdgrün, wie meine eigenen. Wie die Augen meiner Mutter und die meiner Schwester. Sie sprechen zu mir, sind eine entsetzliche Mahnung daran, dass wir zwar auf verschiedenen Seiten stehen, aber unlösbar miteinander verbunden sind durch die Prophezeiung.
Ich höre die anderen Dämonenhunde im Wald heulen. Ich weiß nicht, wie viele jenem ersten folgen werden, aber ich kann nur versuchen, so viele wie möglich in den Tod zu schicken, und hoffen, dass ich meinen Freunden die nötige Zeit zum Überqueren des Flusses verschaffen werde.
Das Zielen ist nicht einfach. Die Hunde bewegen sich schneller als jedes Tier, das ich kenne, und sie sind fast unsichtbar, weil ihr weißes Fell mit der Umgebung zu verschmelzen scheint. Nur das Glühen ihrer Ohren und diese hypnotischen Augen sorgen dafür, dass ich sie nicht gänzlich im Nebel aus dem Blick verliere.
Ich ziele auf die Stelle des ersten Tiers, die ich für die Brust halte. Ich versuche, mir die Gangart des Hundes einzuprägen. Dann ziehe ich die Sehne noch ein Stück weiter zurück und lasse den Pfeil fliegen. Er segelt durch die Luft, beschreibt einen eleganten Bogen und trifft den Hund so unvermittelt, dass ich selbst überrascht bin, ihn zu Boden gehen zu sehen.
Ich will gerade einen zweiten Pfeil anlegen, als etwas am Rande meines Blickfelds meine Aufmerksamkeit erregt. Ein zweites dieser schimmernd weißen Ungetüme stürzt auf die Lichtung, diesmal zu meiner Rechten. In einer atemberaubenden Geschwindigkeit beschreibt es einen Bogen und kommt nun von vorne auf mich zu. Hastig versuche ich einzuschätzen, ob ich auch diesen Hund treffen könnte. Ich fokussiere ihn, bin mir sicher, dass ich es schaffen kann, ehe er mich erreicht, als ein dritter Hund von links die Baumlinie durchbricht.
Und hinter diesen beiden kann ich ihre zahllosen Gefährten heulen hören.
Meine Arme fangen an zu zittern. Ich muss nachdenken, nachdenken, was ich tun soll … Ein plötzlicher Knall hinter mir erklingt, und der Hund, der gerade auf der Lichtung aufgetaucht ist, bricht zusammen. Der Geruch nach Schießpulver zieht durch die Luft, und ich weiß, ohne meine Augen von der Lichtung vor mir abzuwenden, dass Edmund mir mit seinem Gewehr Deckung gibt.
»Lia! Wir haben keine Zeit! Reiten Sie in den Fluss. Jetzt sofort!«
Edmunds Stimme erschüttert mich. Ich packe meinen Bogen und reiße Sargent herum, in Richtung Fluss, und reite so schnell los, wie ich mit dem Bogen in der Hand vermag. Edmund galoppiert an mir vorbei und steuert geradewegs auf die Flussmitte zu, aber Sonias Pferd steht immer noch stocksteif am Ufer. Sie kämpft mit den Zügeln, versucht, es ins Wasser zu lenken, aber vergeblich. Der Graue bäumt sich auf und schüttelt störrisch den Kopf.
Zum Nachdenken bleibt mir keine Zeit. In gestrecktem Galopp nähere ich mich dem Wasser, strecke den Arm aus und verpasse Sonias Pferd im Vorbeireiten einen kräftigen Schlag mit der flachen Hand auf die Flanke.
Ich habe keine Ahnung, ob ich Erfolg hatte, denn mein eigenes Pferd rast an Sonia vorbei direkt ins Wasser. Die Hufe schlagen spritzend auf dem Grund auf, obwohl ich es eher fühle als höre, weil ich außer den Hunden überhaupt nichts mehr hören kann. Ihr Geheul ist so nah, dass ich ihren Atem auf meinem Nacken zu spüren glaube. Ich treibe Sargent weiter in den Fluss hinein und bete, dass er nicht stehen bleiben oder sogar umdrehen und zum
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