Liebe und Verrat - 2
Ufer zurücklaufen wird.
Aber um Sargent hätte ich mir keine Sorgen machen müssen. Er stapft willig und brav mitten in den Fluss hinein. In mir selbst steigt jedoch plötzlich eine unermessliche Angst empor, angefangen bei meinen Füßen, die im Wasser hängen, über meine Beine bis hinauf in meine Brust, bis mein Herz so heftig klopft, dass ich nicht einmal mehr die Hunde hören kann. Mein Atem geht schnell und flach, aber ich fühle nicht den Drang zu fliehen. Stattdessen zügle ich Sargent so unvermittelt, dass er abrupt stehen bleibt und sich beinahe aufgebäumt hätte, während Sonia platschend an mir vorbei in das tiefere Wasser reitet.
Ich dagegen klebe auf Sargent, und Sargent scheint – auf meinen Befehl hin – mit dem Flussbett verwachsen zu sein. Meine Angst hat mich in eine Art apathische Starre versetzt, und in diesem Augenblick wäre ich lieber ein Opfer der Hunde geworden, als weiter in den Fluss hineinzureiten.
»Es ist Zeit zu gehen.«
Ich wende mich dem Sprecher zu. Es ist Edmund, der wieder an meiner Seite ist. Ich wünschte, er wäre bereits auf der anderen Seite des Flusses in Sicherheit, und liebe ihn gleichzeitig dafür, dass er bei mir bleibt.
Ich nehme mir nur eine Sekunde Zeit, um meine Augen zu ihm sprechen zu lassen. Dann lässt mich ein Geräusch am diesseitigen Flussufer herumfahren. Es sind nicht die Hunde. Es ist etwas anderes. Jemand anderes, gleich hinter ihnen. Eine Gestalt mit einem Umhang, die Kapuze über dem Kopf, auf einem schwarzen Pferd, das den Hunden folgt, als ob es sich um eine gewöhnliche Jagdmeute handeln würde.
Das allein wäre schon rätselhaft genug. Aber als die Gestalt die Kapuze zurückschlägt, begreife ich gar nichts mehr.
13
Ich will alles auf einmal wahrnehmen: die Hunde, die – wenn auch zögernd – ins Wasser kommen; Edmund, der an meiner Seite bleibt, statt den anderen zu folgen; und Dimitri Markov, der ruhig und gelassen hinter den Hunden im Sattel des schwarzen Pferdes sitzt.
Nichts von alledem trägt dazu bei, dass ich Sargent die Sporen gebe.
»Wir müssen weiter, Lia.« Edmunds Stimme ist sanft, aber bestimmt, und trotz meiner Angst fällt mir auf, dass er zum ersten Mal das förmliche »Miss« weglässt und nur meinen Vornamen benutzt. »Sie können Ihre Angst spüren. Sie folgen Ihnen. Ich kann nicht alle mit meinem Gewehr töten, und Sie sind noch nicht nah genug am anderen Ufer, um sie zu entmutigen.«
Seine Worte fallen in einem Winkel meines Geistes auf fruchtbaren Boden, aber immer noch rühre ich mich nicht. Die Hunde treten vorsichtig in das Wasser, benetzen erst ihre Pfoten mit Wasser und stapfen dann platschend weiter, langsam zwar, aber stetig, bis ihre Bäuche eingetaucht sind und sie nur noch ein paar Schritte von Edmund und mir entfernt stehen bleiben.
Und trotzdem kann ich mich nicht bewegen, kann mich nicht dazu bringen, Sargent den Befehl zum Weiterlaufen zu geben, obwohl seine Muskeln angespannt sind, bereit zur Flucht. Ich weiß, dass er die Gefahr genauso spüren kann wie ich.
Erst als Dimitri auf den Fluss zureitet – auf mich zu – fällt die Starre von mir ab. Aber immer noch reicht es nicht, um mich zum Fliehen zu bewegen. Ich bin nicht die Einzige, die ihn beobachtet. Die Hunde drehen sich um. Ihre riesigen, schneeweißen Köpfe wenden sich dem Neuankömmling in unserem Spiel zu. Dimitri starrt sie an, und einen Moment lang könnte ich schwören, dass zwischen Mann und Tieren ein stummes Gespräch stattfindet.
Die Hunde verkrampfen sich sichtbar, als Dimitri sein schlankes Pferd durch das seichte Wasser zu Edmund und mir lenkt. Ihre Köpfe schwingen hin und her, behalten mal mich und dann wieder Dimitri im Blick, ohne ihre Stellung zu verlassen. Es ist, als ob sie ihn kennen, als ob sie sich ihm gegenüber zu Respekt verpflichtet fühlen und sich ihm aus diesem Grund unterordnen würden. Ich kann die Gier in ihren Augen sehen, wenn sie mich anblicken, ihr Verlangen, die Lücke zwischen uns zu überwinden und mich in Stücke zu reißen.
Aber ihr Verlangen bleibt ungestillt. Sie schauen zu, wie Dimitri sein Pferd neben Sargent lenkt. Die Strömung wird stärker und der Himmel verdunkelt sich. Die Nacht rückt näher. Ich spüre, wie Sargent zunehmend Schwierigkeiten hat, das Gleichgewicht auf dem felsigen Flussbett zu halten. Da streckt Dimitri die Hand aus und nimmt die Zügel aus meinen eiskalten Händen. Er schaut mir in die Augen, und ich habe das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen.
»Es ist alles in
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