Liebe und Verrat - 2
sicher, dass die Schwestern Rat wissen, was wir mit dem Medaillon tun sollen.«
Luisa wendet sich zu Dimitri. »Reden Sie mit ihr. Bitte!«
Er geht auf mich zu und nimmt meine Hand. Dann lächelt er Luisa an. »Für mich hört sich das sehr vernünftig an. Es ist die beste Lösung, die wir im Augenblick haben. Von allen Menschen, die ich kenne, erscheint mir Lia am geeignetsten, das Medaillon zu hüten.«
Sie betrachtet uns beide mit einem Blick, der deutlich macht, dass sie uns für nicht mehr ganz zurechnungsfähig hält. Dann wirft sie resigniert die Arme hoch. »Und was ist mit Sonia? Soll Lia auch für sie die Verantwortung tragen?«
Dimitris Augen verdunkeln sich im schwachen Schein des Feuers. »Natürlich nicht. Edmund und ich haben die Sache bereits besprochen. Er wird an der Spitze reiten, mit Sonias Pferd an seinen Sattel gebunden. Sie« – und damit schaut er Luisa an – »reiten hinter ihm, gefolgt von Lia. Ich werde am Ende reiten, für den Fall, dass uns von hinten eine Ungemach droht. Sollte Sonia sich für ihre körperlichen Bedürfnisse zurückziehen müssen, werden Sie sie begleiten. In dem Zustand, in dem sie sich im Augenblick befindet, kann sie wohl kaum entkommen.« Er hebt den Kopf und wirft einen Blick auf die Dunkelheit jenseits des Lagerfeuers. »Außerdem kann sie nirgendwo hin.«
Einen Moment lang fürchte ich, dass Luisa widersprechen wird. Sie klappt den Mund auf, als wolle sie etwas sagen, und schließt ihn dann wieder. »Also schön«, murmelt sie. Mir entgeht nicht der anerkennende Unterton in ihrer Stimme.
Dimitri nickt ihr zu. »Lia darf zwar nicht schlafen, Sie aber schon. Lia wird uns in den nächsten Tagen brauchen und dazu brauchen wir unsere Kraft.«
Luisas Nicken kommt zögernd. Ich weiß, dass sie mich in dieser schlaflosen Nacht nicht allein lassen will. »Bist du ganz sicher, dass alles in Ordnung ist, Lia?«
Ich nicke. »Aber natürlich. Ich habe ja schon eine halbe Nacht lang geschlafen. Morgen Abend werden die Dinge möglicherweise ganz anders stehen.«
»Sie müssen sich keine Sorgen machen, Luisa.« Dimitri legt den Arm um meine Schultern. »Ich werde die ganze Nacht hierbleiben. Lia wird keine Sekunde lang allein sein.«
Die Erleichterung auf ihrer Miene ist nicht zu übersehen. Dann überzieht die Müdigkeit, die schon die ganze Zeit in den Winkeln ihrer Augen gelauert hat, ihr Antlitz. Sie kommt zu mir und umarmt mich. »Bis morgen früh, Lia. Ruf mich, wenn du irgendetwas brauchst, ja?«
Ich nicke und sie dreht sich um und geht zum Zelt.
»Kommen Sie.« Dimitri zieht mich neben sich auf den Boden vor dem Feuer. Er lehnt sich gegen den Holzklotz, auf dem er gesessen hat, sodass mein Kopf auf seiner Brust ruhen kann. »Ich werde Ihnen bis zum Morgen Gesellschaft leisten.«
»Das ist nicht nötig. Wirklich nicht. Ich komme schon zurecht.« Anfangs kämpfe ich gegen eine solche Vertraulichkeit an und wahre einen Abstand zwischen unseren Körpern – auch wenn er nur wenige Zentimeter beträgt. Aber nach ein paar Minuten ist die Versuchung zu groß und ich lehne meinen Kopf gegen seine starke Schulter. Er passt dort perfekt hin, als ob er genau für diese Stelle gemacht worden wäre. »Sie sollten schlafen«, sage ich zu ihm. »Nur weil ich es nicht darf, müssen Sie sich nicht verpflichtet fühlen, ebenfalls nicht zu schlafen.«
Seine Wange berührt mein Haar, als er den Kopf schüttelt. »Nein«, sagt er. »Wenn Sie wach bleiben, bleibe ich auch wach.«
Und das tut er, die ganze Nacht lang. Erst viel später fällt mir zu meiner Beschämung auf, wie lange ich nicht mehr an James gedacht habe.
16
Wir sind erst seit einer Stunde unterwegs, aber schon jetzt ist mir klar, dass Sonias Flehen kaum zu ertragen ist. Es fing schon an, als die Sonne gerade einen ersten Blick auf den nebligen Morgen warf.
Im Vorbeigehen hielt ich den Kopf gesenkt, aber ich konnte Sonia in dem Zelt hören, in dem sie ihr Frühstück zu sich nahm. Und obwohl ihre Stimme nur bruchstückhaft zu mir herausdrang, konnte ich den Sinn ihrer Worte deutlich verstehen. Und ich begriff, wie weit sie uns entglitten ist.
»… bitte, wenn Sie Lia nur sagen wollen …«
»Sie versteht es nicht … Samael ist ihr Verbündeter …«
»… macht es nur noch schlimmer …«
Der Klang von Sonias Stimme, jener Stimme, die mir in allen wundersamen und schrecklichen Dingen in jenem vergangenen Jahr Trost und Zuversicht spendete und die nun zugunsten von Samael bettelte und flehte, war mir
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