Liebe und Verrat - 2
Medaillon, das seit unserer Abreise aus New York sicher verwahrt an Sonias Handgelenk geruht hat.
Bis jetzt.
15
Sonias Gesicht, so nah, ist mir ein Trost, als ich aus dem Traum erwache. Trotz der jüngsten Spannungen war sie seit Anbeginn unseres gemeinsamen Weges der Inbegriff von Freundschaft für mich.
Ich setze mich aufrecht hin, die Hand auf die Brust gepresst, um das Rasen meines Herzens zu beruhigen. »Oh! Oh mein Gott!«
Sonia legt mir die Hand auf den Arm. »Ganz ruhig, Lia. Ganz ruhig. Ich weiß. Ich weiß.« Sie drückt mich wieder in die Kissen und in ihrer Stimme liegt eine süße Ernsthaftigkeit. Die Unschuld, die daraus klingt, ist irgendwie beängstigend. »Ruhe dich aus, Lia. Es muss nicht so schwer sein.«
Anfangs bin ich verwirrt. Ihre Worte sind für mich nur Geplapper, für dessen Entschlüsselung mir die Kraft fehlt. Aber am Ende braucht es gar keine Worte. Am Ende ist es das Medaillon, das wie in meinem Traum um mein Handgelenk befestigt ist. Es sagt mir alles, was ich wissen muss.
»Was … was ist das? Warum habe ich das Medaillon am Arm, Sonia?« Ich mache mir erst gar nicht die Mühe, im Dunkeln nach der Schließe zu tasten. Stattdessen reiße ich an dem Samtband, an dem das Medaillon hängt, bis es sich aus der Schließe löst und auf den Zeltboden fällt.
Sonia kriecht in der Dunkelheit herum und gräbt fieberhaft in den Decken, die zerknüllt am Boden liegen. Noch ehe sie das Medaillon findet, fange ich an zu begreifen, und als sie mit dem Samtband in der Hand auf den Knien zu mir gerutscht kommt, weiß ich es ganz sicher.
»Trage es, Lia. Nur eine kleine Weile. Es ist zu unser aller Besten. Es ist zu deinem Besten, Lia.« Ihre Augen glänzen in der Dunkelheit, und in diesem Moment erblicke ich etwas so Schreckliches – jenseits von allem, was ich bisher gekannt habe. Nichts lässt sich damit vergleichen, nicht die Seelen, nicht die Macht des Medaillons, nicht einmal Samael selbst. In diesem Moment, in dem ich Sonias engelsgleiche Augen vor Wahnsinn glitzern sehe, wird mein schlimmster Albtraum wahr.
Ich weiß nicht, wie lange ich in das Blau ihrer Augen starre und versuche, meine Sonia, meine Freundin, in dem Mädchen vor mir wiederzuerkennen. Einem Mädchen, das mich als Tor missbrauchen will, durch das der Inbegriff des Bösen in unsere Welt eintreten kann. Aber als ich endlich wieder zu Sinnen komme, werfe ich mich rückwärts gegen die Zeltwand, nur weg von ihr.
Und dann schreie ich. Ich schreie und schreie und schreie.
»Ich dachte, du wärst es.« Ich schaue Luisa an, die neben mir am Feuer sitzt.
Allein, jedenfalls für den Augenblick, trotzen wir der nächtlichen Kälte, dick in Decken gehüllt, während Edmund und Dimitri in dem anderen Zelt versuchen, Sonia zu bändigen. Ich habe keinen von ihnen mehr gesehen, seit sie das schreiende und um sich tretende Mädchen von mir weggezerrt haben.
Luisa blickt überrascht auf. »Ich? Warum?«
Ich zucke mit den Schultern. »Du hast dich merkwürdig benommen. Bist ständig im Gebüsch verschwunden und hast … wütend und abweisend gewirkt.«
Sie rückt näher zu mir und nimmt meine Hand. »Ich weiß, Lia. Ich ahnte, dass mit Sonia etwas nicht stimmt. Ich habe sie rundheraus gefragt, aber sie hat alles abgestritten und wurde wütend auf mich.«
»Aber … ich habe dich gesehen. Ich sah, wie du gespäht hast. Unten am Fluss.« Selbst unter den gegebenen Umständen fällt es mir schwer zuzugeben, dass ich ihr nachgeschlichen bin.
Aber Luisa scheint nicht gekränkt. »Das stimmt auch. Ich habe versucht, etwas über Sonia herauszufinden. Etwas, das mir helfen würde, dich zu überzeugen.«
»Warum hast du es mir nicht einfach gesagt, Luisa? Mich gewarnt?«
Sie seufzt und lässt meine Hand fallen, wobei ein Ausdruck des Bedauerns ihr südländisches Gesicht verdüstert. »Du hättest mir nicht geglaubt, wenn ich mit einem bloßen Verdacht zu dir gekommen wäre. Nicht, wenn es um Sonia geht. Ich musste warten, bis ich einen Beweis hatte.« Aus ihrer Stimme ist alle Bitterkeit verschwunden, die ich für Eifersucht hielt. Jetzt klingt sie nur noch mitfühlend.
Ein trockenes Lachen entschlüpft meiner Kehle und hastet in die Nacht davon. »Tja, Beweise haben wir jetzt wohl genug, nicht wahr?«
Meine Worte bedürfen keiner Antwort. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll, und Luisa geht es wohl ähnlich, weil wir eine ganze Zeit lang am Feuer sitzen und nur das eine oder andere Wort wechseln. Das Feuer knistert. Ich denke
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