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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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unerträglich. Als ob das nicht genug war, erschütterte mich Dimitris Anordnung, dass ich mich am Rande des Lagers zu halten hätte, während man Sonia zu ihrem Pferd führte. Ich weiß nicht, ob er uns so weit wie möglich voneinander entfernt wissen wollte, weil er mich für schwach oder sie für übermäßig stark hielt, aber ich tat wie geheißen.
    Ich bin nicht müde. Noch nicht. Aber ich weiß, dass die Müdigkeit schon bald kommen wird. Im Augenblick halten mich meine angespannten Nerven und das Bewusstsein wach, dass die Kraft des Medaillons durch meinen Körper strömt. Ich habe es seit meiner Abreise aus New York nicht mehr getragen. Seit ich mir klar darüber wurde, wie gefährlich es angesichts meiner damals noch wenig ausgeprägten Fähigkeiten war.
    Jetzt steht es wieder ausschließlich mir zu.
    Seine Schwere an meinem Handgelenk lässt mich lebendiger fühlen als je zuvor, als ob jeder Nerv bloßliegt und hundertmal empfindsamer ist als früher. Es macht mir Angst. Ich fühle das Seufzen des Windes, das leiseste Rascheln des Laubs in den Baumwipfeln, als ob es in meinem Inneren stattfinden würde. Mein Herzschlag pulsiert mit einer fast schmerzhaften Kraft, die sich kaum bändigen lässt.
    Ich will nicht daran denken.
    Während des ganzen Tages konzentriere ich mich auf Luisas Rücken vor meinen Augen und auf Sargents starken Körper, der mich durch den Wald trägt. Meine Umgebung zerfließt zu einem einförmigen Grün, das ich nach einer Weile nicht mehr wahrnehme. Ich wünsche mir nur zweierlei: dass wir so schnell wie möglich die Insel erreichen und dass ich lange genug wach bleiben kann.
    Die Schatten sind lang und die Luft hat sich merklich abgekühlt, als Edmund endlich einen geeigneten Lagerplatz entdeckt, der nah genug an einer Wasserstelle liegt und gleichzeitig so geschützt ist, dass wir Deckung haben, falls Gefahr droht. Ich führe Sargent zu einer Seite des Lagers, während Edmund und Dimitri Sonia zur anderen geleiten. Der Mistelsud, den Dimitri Sonia zum Frühstück in den Tee gemischt hat, verliert wohl seine Wirkung, denn ihre Stimme ist kräftig und wird von dem kälter werdenden Wind zu mir getragen.
    »Lia! Lia! Lass mich mit dir reden. Nur für einen Moment!«
    Es tut so weh, mich von dem Klang ihrer Stimme abzuwenden, aber ich tue es trotzdem.
    Ich binde Sargent an einen Baum, sinke auf den Boden und lehne mich an einen Stamm, schließe die Augen, als ob ich so Sonias Stimme ausblenden könnte.
    »Hör gar nicht hin, Lia.« Luisa lässt sich neben mir nieder. Der Boden ist hart, aber keine von uns beiden denkt im Augenblick an Bequemlichkeit. Außerdem ist nach einem Tag im Sattel sogar der steinige Boden dem Pferderücken vorzuziehen.
    Ich wende mein Gesicht Luisa zu und lege den Kopf seitwärts auf die Knie. »Ich habe monatelang kaum etwas anderes getan, als auf Sonia gehört.«
    Sie neigt mitfühlend den Kopf. »Ich weiß. Aber dir ist doch klar, dass das nicht Sonia ist, die dort nach dir ruft. Die mitten in der Nacht das Medaillon an deinem Handgelenk befestigte. Das weißt du doch, oder?«
    »Ja. Aber das macht es nicht einfacher. Ich schaue ihr ins Gesicht und sehe Sonia, aber die Worte, die sie ausspricht …« Ich muss den Satz nicht zu Ende bringen.
    Luisa streckt die Hand aus und schiebt mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Das geht vorbei, Lia. Bestimmt. Wir werden nach Altus kommen und die Schwestern werden dafür sorgen, dass Sonia wieder sie selbst wird.«
    »Und was ist mit mir?«, frage ich. »Ich kann nicht immer und ewig wach bleiben. Aber die Last des Medaillons ruht von nun an allein auf meinen Schultern. Wie wird es mit mir weitergehen?«
    »Ich weiß es nicht, Lia. Aber ich weiß, dass wir schon einen sehr weiten Weg miteinander gegangen sind.« Luisa lächelt. »Eins nach dem anderen. Erst reiten wir nach Altus und dann sehen wir weiter.«
    Ich nicke und stehe auf. »Ich werde beim Essenmachen helfen.«
    Sie wirft einen Blick zu dem einen Zelt, das bereits errichtet wurde – dasjenige, in dem Sonia untergebracht ist.
    »Hältst du das für klug? Vielleicht sollten wir es heute Abend den Männern überlassen, sich um das Lager und das Essen zu kümmern.« Der Ausdruck in ihren Augen sagt mir, dass ihre Sorge einzig und allein mir gilt. »Sie wird nicht schweigen, Lia.«
    »Ich muss mich beschäftigen, Luisa. Ich werde verrückt, wenn ich noch eine Sekunde weiter hier herumsitze.«
    Wir gehen zum Feuer, das Edmund gerade entfacht hat. Ich weiß nicht,

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