Liebe und Verrat - 2
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Das Pulsieren auf meiner Brust reißt mich aus der Schwärze.
Ich fühle es dort sehr lange, will mir scheinen, ehe ich die Energie aufbringen kann, mich aus der Reglosigkeit zu kämpfen, die sich sowohl über meine Glieder als auch auf meine Seele gelegt hat. Als ich schließlich die Augen öffne, erblicke ich eine junge Frau mit Augen, die so grün sind wie meine Augen. Ihr fast weißes Haar liegt wie ein Heiligenschein um ihren Kopf und strahlt im Kerzenlicht, das aus dem hinteren Teil des Raums dringt. Ihr Gesicht ist freundlich, aber ihre Stirn sorgenvoll gerunzelt, während sie mich anschaut.
»Ganz ruhig«, sagt sie. »Du musst schlafen.«
»Was … Was …« Ich zwinge meine Hände, nach dem Gegenstand zu greifen, der auf meiner Brust liegt. Es dauert eine Weile, bis sie mir gehorchen, aber dann ertaste ich ein glattes, hartes Oval an einer Schnur um meinen Hals. Der Gegenstand fühlt sich heiß an und verströmt ein Pochen, das ich nicht nur fühlen, sondern fast hören kann. »Was ist das?«, stoße ich hervor.
Sie lächelt sanft. »Das ist nur ein Schlangenstein, wenn auch ein mächtiger. Er wird dich schützen. Vor den Seelen.« Sie nimmt meine Hände und schiebt sie unter die dicken Decken, die meinen Körper einhüllen. »Schlaf jetzt, Schwester Amalia.«
»Was ist mit … mit Dimitri? Und Luisa? Und Sonia und Edmund?«
»Es geht ihnen gut, das versichere ich dir. Es ist für alles gesorgt. Altus ist für die Seelen tabu und der Schlangenstein wird dich im Schlaf beschützen. Du hast nichts zu fürchten.«
Sie steht auf und verschwindet im Dämmer des Raums, der nur schwach von den Kerzen erleuchtet wird. Ich will wach bleiben. Ich will die vielen, vielen Fragen stellen, die in mir lautstark nach Antworten verlangen, aber es hilft nichts. Ich gleite wieder in das Nichts, noch ehe ich einen weiteren Wimpernschlag getan habe.
»Bist du jetzt wach? Wirklich und wahrhaftig?«
Diesmal beugt sich ein anderes Mädchen über mich. Sie ist jünger als die schattenhafte Frau, die mir von dem Schlangenstein erzählt und sich während der Zeit, in der ich zwischen Wachen und Schlafen hin und her glitt, um mich gekümmert hat. Dieses Mädchen betrachtet mich nicht mit Sorge, sondern bloß mit unverhohlener Neugier.
Ich taste zwischen den Laken und Decken nach meinem Handgelenk und atme erleichtert auf, als meine Finger die kühle Scheibe des Medaillons berühren sowie den wispernden Samt des Bandes. Es ist immer noch da und ich empfinde seine Gegenwart nach wie vor als erleichternd und abstoßend zugleich.
Die Stimme der anderen Frau dringt durch die Nebel der Erinnerung zu mir: Das ist nur ein Schlangenstein, wenn auch ein mächtiger. Er wird dich schützen. Vor den Seelen.
Meine Hände sind bleischwer, als ich sie zu meiner Brust hebe und nach dem Stein um meinen Hals taste. Als ich meine Finger darum schließe, merke ich zu meiner Verblüffung, dass seine glatte Oberfläche eine Hitze verströmt, die meine Haut verbrennen sollte. Aber sie tut es nicht. Ich beschließe, später danach zu fragen, und lasse meine Hand wieder auf die Decke fallen.
»Könnte ich …« Meine Kehle ist so ausgetrocknet, dass ich kaum zu sprechen vermag. »Könnte ich bitte etwas Wasser haben?«
Das Mädchen kichert. »Im Augenblick könntest du nach dem Mond verlangen, und die Schwestern würden dafür sorgen, dass du ihn bekommst, mit einem hübschen Geschenkband versehen.«
Ich habe keine Ahnung, wovon sie redet, aber sie greift hinüber zu dem Tisch neben meinem Bett und gießt Wasser in einen schweren Keramikbecher, den sie mir anschließend an die Lippen setzt. Das Wasser ist eiskalt und so rein, dass es fast süß schmeckt.
»Danke.« Mein Kopf fällt auf das Kissen. »Wie lange habe ich geschlafen?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Etwa zwei Tage. Du warst zwischendurch immer mal wieder wach.«
Ich nicke schwach. Ich habe eine vage Erinnerung an den abgedunkelten Raum, an das flackernde Kerzenlicht auf den Wänden und geschmeidige Gestalten, die hin und her huschen.
»Wo ist das andere Mädchen? Das für mich gesorgt hat«, will ich wissen.
Sie schürzt die Lippen und denkt nach. »Hat sie sehr helle Haare und grüne Augen? Oder war ihr Haar dunkel, wie deins?«
»Ich … ich glaube, es war hell.«
»Das ist Una. Sie hat sich die meiste Zeit um dich gekümmert.«
»Warum das?«
Wieder zuckt sie mit den Schultern. »Willst du nicht wissen, wie ich heiße?« Sie wirkt jetzt bockig, und ich erkenne,
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