Liebe und Verrat - 2
Kante. Im Zimmer ist es unerwartet warm. Ich erwarte eine kühle Brise, als ich der Decken ledig bin, aber ich habe mich getäuscht. Und als ich die Füße auf den Steinboden setze, merke ich, dass auch er warm ist.
Ich halte mich am Nachttisch fest und stelle mich vorsichtig auf die Füße. Mir wird schwindelig, aber das Gefühl dauert nur ein paar Sekunden. Nachdem es vorüber ist, schlurfe ich mit steifen Gliedern zum Fußende des Bettes. Der Schlangenstein liegt fast wollüstig zwischen meinen nackten Brüsten. Obwohl ich allein bin, bin ich verlegen, und als ich nach den Sachen greife, die Una für mich bereitgelegt hat, bin ich mir sicher, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln kann.
Entweder das, oder jemand amüsiert sich im Augenblick auf meine Kosten ganz prächtig.
21
Du hast mir nicht alles herausgelegt. Da … da fehlt ja die Hälfte!«
Ich sitze auf dem Bett. Una stellt ein Tablett mit Brot, Käse und Obst auf den Nachttisch und tritt zu mir. Ihr weiches, fliederfarbenes Gewand – das identisch ist mit dem, das ich augenblicklich trage – fällt ihr sanft um den Körper. Ich erhasche einen Blick auf ihre runde, weibliche Figur und beginne zu ahnen, dass dies ganz und gar kein Missverständnis ist.
Sie betrachtet mich von oben bis unten. »Es sieht nicht so aus, als ob irgendetwas fehlt.«
Die Verlegenheit rötet mir die Wangen. »Aber … das ist nicht genug.«
Lächelnd legt sie den Kopf schräg. »Du hast Unterwäsche und ein Übergewand. Was brauchst du noch?«
Ich erhebe mich, noch etwas unsicher auf den Beinen und mit einem leichten Schwindelgefühl im Kopf, das aber rasch vergeht. »Oh, ich weiß nicht … Wie wär’s mit ein paar Hosen? Einem Rock? Und was ist mit Schuhen und Strümpfen? Oder soll ich etwa barfuß gehen?«
»Lia …« Beim Klang meines Namens zucke ich zusammen. »Oh … darf ich dich Lia nennen? Amalia klingt so förmlich.«
Ich nicke und sie fährt fort. »Ich werde dir Sandalen geben, wenn du den Raum verlässt. Aber während du hier im Heiligtum bist, brauchst du nichts sonst. Außerdem«, fügt sie hinzu und hebt die Augenbrauen, »habe ich deine Sachen in die Wäscherei gebracht, und ich muss sagen, dass es wirklich eine ganze Menge Kleidung ist! Ist es nicht unbequem, die ganze Zeit so eingezwängt zu sein?«
Ich kann mir nicht helfen: Ich bin ein bisschen beleidigt. Da dachte ich, ich sei eine unabhängige, fortschrittliche junge Frau, umso mehr, als ich den Zwängen von Wycliffe entkommen bin, aber Una treibt mir diese Vorstellung innerhalb weniger Sekunden aus.
Ich ignoriere ihre Frage, stelle mich gerade hin und versuche, nicht zu schmollen. »Also schön. Aber ich hätte meine eigenen Sachen gerne wieder, falls ich sie noch brauche.«
Sie wendet sich zur Tür. »Ich werde sie holen, während du frühstückst.«
Bevor sie die Tür zuzieht, rufe ich ihr nach: »Du musst wissen, dass ich beim Reiten Hosen statt einem Rock trage!«
Ich erhasche einen Blick auf ihr nachsichtiges Lächeln. Dann ist die Tür zu, und ich habe das undeutliche Gefühl, dass sie sich gerade ein wenig über mich und meine puritanische Erziehung lustig macht.
»Luisa wird sich freuen, dich zu sehen«, sagt Una. »Genauso wie dein Führer, Edmund, obwohl ich glaube, dass er im Augenblick andere Dinge zu erledigen hat.«
Wir durchqueren einen lang gestreckten, offenen Korridor. Er erinnert mich an die Vorbauten der Palazzi, die ich in Italien sah, als ich meinen Vater auf einer seiner Reisen begleitete.
Mir fällt auf, dass Una Sonia mit keinem Wort erwähnt hat. Ich vermute zwar, sie will bloß taktvoll sein, aber Sonia ist der Mensch, der mir am schwersten auf der Seele lastet.
»Was ist mit meiner anderen Freundin? Mit Sonia?« Ich drehe den Kopf im Gehen und versuche, jede noch so kleine Regung ihrer Miene zu erkennen, die mir verrät, was ihre Worte verschweigen.
Sie seufzt und mustert mich. Ich frage mich, ob sie ehrlich mit mir sein wird oder ob sie mich schonen will. »Es geht ihr nicht gut, Lia. Aber ich will es Bruder Markov überlassen, dir die Einzelheiten zu erzählen. Er wird aufgrund seiner Stellung sowieso mehr wissen als ich.«
Bruder Markov. Ich wundere mich über die Bezeichnung und die Anspielung auf Dimitris Autorität, aber der Gedanke an Sonia lässt mich gleich darauf alles andere vergessen.
»Darf ich sie sehen?«
Una schüttelt den Kopf. »Heute nicht.«
In ihrer Stimme liegt eine Entschiedenheit, die mich davon abhält zu
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