Liebe und Verrat - 2
widersprechen. Ich werde Dimitri fragen.
Una schaut auf, als uns ein Mann mit einem neckischen Grinsen auf den vollen Lippen entgegenkommt. Seine Beinkleider liegen eng an und die weiße Tunika umspielt seine Muskeln.
»Guten Morgen, Una.«
»Guten Morgen, Fenris«, antwortet Una. Am Ton ihrer Stimme erkenne ich, dass sie flirtet.
Als sich der Mann außer Hörweite befindet, wende ich mich ihr zu. »Wer war denn das?«
»Einer der Brüder. Einer der … frecheren unter ihnen, muss ich sagen. Ich hege keine Absichten in Bezug auf ihn, aber er ist manchmal so unverfroren, dass ich es ihm zu gerne mit gleicher Münze heimzahle.«
»Tatsächlich? Ich bin beeindruckt.« Ich muss kichern. »Und wer sind die Brüder?«
»Die Brüder sind … unsere Brüder.«
»Fenris ist dein Bruder?«
Una lacht. »Nicht mein Bruder. Ein Bruder. Er wurde von einer Schwester geboren und hat sich noch nicht entschieden, ob er Altus verlassen und seinen Weg in deiner Welt gehen will oder ob er bleibt, um der Sache der Schwesternschaft zu dienen.«
»Tut mir leid, aber das verstehe ich nicht.«
Una bleibt stehen und legt eine Hand auf meinen Arm, sodass ich ebenfalls stehen bleiben muss. »Die Schwestern sind nicht an Altus gebunden. Wir können genauso gut in deiner Welt leben, wie deine Mutter und deine Tante, wenn wir das wünschen. Aber selbst wenn wir auf der Insel bleiben, heißt das nicht, dass unser Leben von Stillstand bestimmt ist. Wir verlieben uns, heiraten, bekommen Kinder, und diese Kinder müssen ihren eigenen Weg gehen, wenn sie erwachsen sind.«
Ich begreife immer noch nicht, wie ein Mann wie Fenris in Unas Aufzählung passt. »Aber wer sind sie? Die Brüder, meine ich.«
Sie hebt die Brauen. »Du glaubst doch wohl nicht, dass die Schwestern nur Töchter bekommen, oder?«
Ich denke an Henry. Natürlich bekommt eine Frau nicht nur weibliche Nachkommen. »Also sind diejenigen, die ihr Brüder nennt, die Söhne der Schwestern, die heiraten und Kinder bekommen.«
Es ist nicht als Frage gemeint, aber sie nickt trotzdem. »Und die Söhne der Grigori, die, wenn sie auf Altus bleiben, nur die Ehe mit einer der Schwestern eingehen dürfen. Sie sind alle unsere Brüder, und sie dienen den Schwestern – oder den Grigori, wenn sie dazu erwählt werden.«
Ich stehe immer noch am selben Fleck und denke über ihre Erklärung nach. Da merke ich, dass sie weitergegangen ist und sich schon ein paar Schritte von mir entfernt hat. Ich beeile mich, um zu ihr aufzuschließen, und merke, wie ich müde werde, obwohl ich erst vor kaum einer Stunde das Bett verlassen habe.
Ein paar Minuten später spreche ich die Frage aus, die mir schon die ganze Zeit im Kopf herumspukt. »Una?«
»Hmm?«
»Leben die Brüder hier mit euch auf der Insel?«
»Natürlich.« Meine Frage scheint sie nicht zu überraschen. »Sie leben im Heiligtum, wo auch wir wohnen.«
»Unter demselben Dach?«
Sie schaut mich lächelnd an. »Nur in deiner Welt, Lia, ist es verpönt, wenn unverheiratete Männer und Frauen in gegenseitigem Respekt und Vertrauen in einem Haus leben. Wenn Männer und Frauen außerhalb der Ehe ihre Gefühle füreinander zum Ausdruck bringen.«
»Nun ja … wir tun das nach der Heirat.«
Sie legt den Kopf schräg und ihre Augen werden ernst. »Warum ist die Ehe eine Voraussetzung für Respekt und Vertrauen?«
Sie erwartet augenscheinlich keine Antwort, und das ist auch gut so. Ihre Frage stülpt sich über mein ohnehin schon überfülltes Gehirn. Ich finde keine Erwiderung und stoße schließlich alle störenden Gedanken beiseite.
Una wendet sich einem breiten Korridor zu und legt dann ihre Hand auf einen Türgriff zu unserer Rechten. Als sie die Tür öffnet und mir den Vortritt lässt, fühle ich mich sofort zu Hause.
Hinter der Tür verbirgt sich eine Bibliothek, und obwohl die Wände – wie überall auf Altus – aus Stein bestehen, sind sie mit unzähligen Büchern bestückt, genau wie in Vaters Bibliothek in Birchwood. Und als ob die Stimmung nicht genug wäre, um mich leichter atmen zu lassen, sehe ich Luisa an einem Tisch im hinteren Teil des Raums sitzen. Sie schaut auf und ihre Augen strahlen bei meinem Anblick.
Sie kommt zu mir geeilt. »Lia! Ich dachte schon, du würdest niemals aufwachen.« Sie drückt mich fest und weicht dann einen Schritt zurück, um mich anzuschauen. Ihre Lippen werden schmal vor Sorge.
»Was ist?«, frage ich. »Mir geht’s gut. Ich musste einfach nur schlafen, das ist alles.«
»Du siehst aber
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