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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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sitzt eine in einen Kapuzenumhang gehüllte Schwester mit einem Ruder in der Hand. Die schlafende Insel hat uns zum Schweigen gebracht und wortlos steigen wir ins Boot. Augenblicklich beginnen die Schwestern zu rudern. Dimitri und ich lassen uns im Bug nieder, Edmund direkt hinter uns.
    Tante Abigails geflüsterte Worte ziehen durch meine Gedanken wie die Nebelschwaden über den Ozean. Ich hoffe, dass unsere Führer vertrauenswürdige Männer sind und dass Dimitri und ich uns nicht allein durchschlagen müssen, aber ich fühle mich entschlossener denn je, zu tun, was auch immer nötig ist, um die Seiten zu finden.
    Während ich den stummen Schwestern zuschaue, wie sie uns immer weiter aufs Meer hinausrudern, erinnere ich mich plötzlich wieder an eine Frage, die mir schon auf der Hinfahrt in den Sinn kam, die ich aber aus lauter Erschöpfung nicht stellte. Und später vergaß ich sie.
    »Dimitri?«
    »Hmm?« Er beobachtet aufmerksam die Wasseroberfläche.
    Ich beuge mich zu ihm hin und spreche ganz leise, um die Schwestern, die das Boot rudern, nicht zu beleidigen. »Warum reden die Schwestern nicht?«
    Er wirkt überrascht, als ob er gerade erst bemerkt hätte, wie merkwürdig es ist, dass wir von schweigenden Frauen übers Meer gebracht werden.
    »Es ist Teil ihres Schwurs. Sie haben Schweigen gelobt, um sich selbst davor zu schützen, unabsichtlich die Lage der Insel preiszugeben.«
    Ich betrachte die Schwester, die vorn im Boot sitzt. »Also können sie nicht sprechen?«
    »Sie können schon, aber sie tun es nicht, solange sie sich fern von Altus befinden. Ansonsten würden sie ihren Eid brechen.«
    Ich nicke und erkenne – vielleicht zum ersten Mal –, wie ergeben die Schwestern sind.
    Ich schaue zu, wie Altus immer kleiner wird, und ich habe den Eindruck, dass etwas gesagt werden muss, etwas, das seine Bedeutung und die Bedeutung meiner Anwesenheit auf der Insel untermauert. Aber ich bleibe stumm. Denn darüber zu sprechen, hieße, die Erinnerung an die jasmingeschwängerte Luft zu verwässern, an die sanfte Brise, die landeinwärts weht, und an die Nacht in Dimitris Armen, in der meine größte Sorge darin bestand, dass mein Verhalten den Sittenwächtern meiner Welt gänzlich unangebracht erscheinen muss.
    Ich wende den Blick nicht von der Insel ab, bis sie im Nebel verschwindet. Erst sehe ich sie noch, ein dunkler, kleiner Schemen in der Ferne. Im nächsten Moment ist sie fort.
    Die Fahrt über das Wasser bleibt ereignislos. Ich halte mich nah bei Dimitri. Mein Bein berührt seins, und diesmal empfinde ich nicht das Verlangen, meine Hand ins Wasser zu strecken.
    Wie bei der Hinfahrt verliere ich jegliches Zeitgefühl. Anfangs versuche ich, unsere Richtung im Blick zu behalten, in der Hoffnung, mir irgendeine Vorstellung davon machen zu können, wohin wir fahren. Aber der Nebel und das sanfte Schaukeln des Bootes haben eine betäubende Wirkung, und nach einer Weile gebe ich es auf.
    Erleichtert registriere ich den Schlangenstein auf meiner Haut. Sein Pulsieren beweist mir, dass ich immer noch unter Tante Abigails Schutz stehe. Dass den Seelen das Medaillon nichts nützt, selbst wenn ich es direkt über dem Zeichen trage. Ich lege meinen Kopf an Dimitris Schulter und döse vor mich hin.
    Wir sprechen nicht, nicht miteinander und auch nicht mit Edmund. Kurz darauf habe ich Anlass, diesen Umstand zu bedauern. Unvermittelt schabt der Rumpf des Bootes über Sand. Ich sehe den Strand erst, als wir schon gelandet sind. Dimitri und ich steigen aus dem Boot ins Wasser und waten an Land. Edmund folgt uns, während die Schwestern im Boot bleiben. Erst da fällt mir auf, dass Edmund überhaupt keine Ausrüstung bei sich hat. Am meisten sticht die Abwesenheit seines Gewehrs ins Auge, das er während unserer Reise durch die Wälder stets bei sich trug.
    »Wo sind Ihre Sachen, Edmund?« Meine Stimme ist viel zu laut nach der langen Stille im Boot und dröhnt wie eine Glocke durch den frühen Morgen.
    Er neigt den Kopf. »Ich fürchte, ich muss Sie hier verlassen.«
    »Aber … wir sind doch erst vor ein paar Stunden aufgebrochen! Ich dachte, wir hätten Zeit, um Lebewohl zu sagen.«
    Seine Antwort ist einfach. »Wir müssen nicht Lebewohl sagen. Ich werde nach Altus zurückkehren und auf die beiden Mädchen aufpassen. Wenn Miss Sorrensen ganz genesen ist, werde ich sie und Miss Torelli zurück nach London bringen. Und dort werden wir uns wiedersehen. Schon sehr bald, Sie werden sehen.« Seine Worte klingen schneidig, aber

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