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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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Mücken betrachtete er als Strafe für seinen Mord an die hübsche Kurdin.
    Doch dann wiederum dachte er an die Armee der Moslems. Sie waren nur zu einem einzigen Zweck gekommen, nämlich um sie, die Aramäer, die Christen, zu vernichten. Und Aische, sie war eine von ihnen. Zwar stand sie nicht in den Reihen der Soldaten. Doch, in gewisser Weise, unterstützte sie sie, beziehungsweise sie hätte es getan, wenn sie noch am Leben gewesen wäre.
    Er war sich sicher, dieser Traum war kein gutes Omen. Das aus ihren Augen fließende Blut und ihr mächtiger Schrei, das musste etwas sehr Schlimmes bedeuten. Er verspürte den Drang, mit irgendeinem Menschen über seine psychischen Probleme zu sprechen. Zu Abuna Isa konnte er nicht noch einmal gehen, ohnehin konnte der alte Priester ihm keine beruhigenden Ratschläge geben. Nein, er konnte nur zu seinem besten Freund Tuma gehen.
    Noch vor Sonnenaufgang stieg er vom Dach die Seitentreppen hinab zum Garten. Seine Mutter Samona schlief auf einer Matte, ohne Schutzdecke auf dem Körper. Auf diese Seite des Hauses schlichen sich die Blutsauger nicht heran, warum, das wusste niemand. Sie war eine fettleibige Frau, wenn auch nicht die dickste Frau des Dorfes. Barsaumo hatte ihr oft geraten, nicht so viel Schweinefleisch zu essen, doch sie konnte nie auf ihr Lieblingsgericht verzichten.
    Drinnen im Haus schlief sein Vater Aziz. Sein Schnarchen war deutlich zu hören. Barsaumo ertrug diese Laute seines Vaters nicht.
    Er schlich sich aus dem Garten durch den Vordereingang zu ihrem Grundstück und betrat geräuschlos den Gehweg durch das Dorf. Er spazierte in Richtung Süden. Den Blick über die Ebene und zum Hügel mied er. Neben der alten Höhle von Badibe blieb er stehen, kletterte den Hang hinauf und setzte sich auf dem Felsen vor dem Eingang zur Höhle. Dies war die einzige Höhle in direkter Nähe zum Südeingang des Dorfes. Einst hatten hier Menschen gehaust. Sie bot guten Schutz gegen wilde Tiere und schlechtes Wetter. Er liebte diesen Ort. Hier war sein eigenes Refugium.
    Gleich nach den ersten Sonnenstrahlen des Morgens verschaffte er sich Zugang zum Haus von Tumas Vater durch den Hintereingang. Es war eine etwa zwei Meter große und einen Meter Breite Holztür, sie riegelte den Garten ab. Für ihn war es ein Leichtes über den Lehmziegelzaun zu springen. Vorsichtig sprang er auf die Fußstapfen im Boden, um nicht die Pflanzen zu zertrampeln. Oben auf dem Dach des Hauses schlief Tuma. Er hatte ihn vom Dach seines Hauses am Vorabend gesehen. Das Dorf war akustisch dicht, das heißt, wenn jemand von einem Ende des Dorfes einem anderen am anderen Ende des Dorfes etwas zurief, dann konnte er ihn akustisch gut verstehen, genauso wie das ganze Dorf. Eine Privatsphäre des Einzelnen gab es in dieser Hinsicht nicht.
    Auf der Ostseite des Hauses waren Treppen aus Stein, sie führten zum Dach hinauf. Dort angekommen, weckte er Tuma. Tuma wollte weiterschlafen, Barsaumo gab ihm eine Ohrfeige. Der Geschlagene sprang sofort aus seinem Bett heraus. Er war beleidigt. Barsaumo seufzte und sagte zu ihm, er solle sich beruhigen, sie hätten eine große Aufgabe vor sich, sie müssten die Wache auf dem Hügel übernehmen. Tuma war zwar schon seit seiner Kindheit ein Witzbold, und wenn es sein musste, konnte er auch tapfer sein, doch war er vor allem auch sensibel. Besonders, wenn Freunde oder Verwandte ihn verletzten.
    Sie holten noch Scham'en ab und eilten sofort zum Gipfel des Hügels hinauf. Fuad, der Sohn des Ibrahim, und seine beiden Söhne Aziz und Madschid standen dort und beobachteten das Tal. Aziz und Madschid freuten sich über die Ablösung und entfernten sich sogleich. Fuad blieb noch eine Weile und schaute die drei Buben argwöhnisch an. Barsaumo versicherte ihm, sie würden ihre Pflicht sehr ernst nehmen.
    Der betagte Fuad nickte schließlich und trat ab.
    Alle drei Männer standen stramm und blickten auf das Tal. Es war ein atemberaubender Blick. Dort war nur ein weites, ebenes Land zu sehen, bis hin zum Horizont. In der Ferne war ein Dorf zu sehen, rechts daneben ein anderes. Hier täuschte das Auge den Betrachter, die Dörfer wären nicht so weit entfernt, doch tatsächlich waren es viele Kilometer.
    Irgendwann war Tuma schon langweilig geworden und er setzte sich auf einen Felsen, kurz vor dem Hang, hin. Barsaumo hielt ihn für verrückt, er hätte ausrutschen und den Hang hinunterfallen können. Tuma lachte nur. Scham'en blieb die ganze Zeit über besonnen und schweigsam. Zu

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