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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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schweigsam in Barsaumos Augen.
    Dann lockerte sich Barsaumo und ging in die Hocke. Das Gewehr seines Vaters band er sich um den Rücken. Vor ihm lag schwarze Erde. Er stach mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand in ihr hinein und formte einen Bogen. Irgendwie musste er sich ablenken. Seine Augen waren rot, er konnte seit dem tragischen Ereignis nicht schlafen. Manchmal zitterte er am ganzen Körper. Tuma war dies aufgefallen. „Du hast uns immer noch nicht erzählt, wie es in Mardin gewesen ist.“
    „Ach, dort leben zu viele Menschen auf engem Raum. Man erstickt fast schon. Ich will nie wieder dahin.“
    Der gewitzte Tuma lächelte, er beobachtete die Körpersprache seines Superschürzenjäger-Vorbildes. Seine Neugier überwältigte ihn. „Ich sehe es in deinen Augen, da ist etwas, was du uns verheimlichst. Du hast dich verändert. Komm schon, sag uns, was geschehen ist.“
    Barsaumo schaute misstrauisch zu Scham'en auf. Tuma war in seinen Augen ein Trottel, doch konnte er ihm absolut vertrauen, bei Scham'en jedoch war er sich nicht sicher. Diesen geheimnisvollen Scham'en kannte er erst seit zwei Jahren, er war eigentlich nur Tumas Freund.
    Aber Barsaumo war traumatisiert und er stand psychisch vor einem Nervenzusammenbruch. Er brauchte nun die Hilfe seiner Freunde mehr denn je. So ließ er die schwere Last von sich herabfallen. Er erzählte Tuma und Scham'en von seiner furchtbaren Tat. Während er davon berichtete, schaute er nur vor sich hin, auf einen Stein, denn er fürchtete sich vor ihrer Reaktion. „Ich sehe sie jede Nacht in meinen Träumen. Sie verfolgt mich. Es ist immer derselbe Traum. Sie wandelt über das Tal und dann bluten ihre Augen und sie schreit, und danach verschwindet sie. Ich kann seitdem nicht mehr klar denken, nicht mehr essen und überhaupt keine Freude mehr empfinden. Mein Leben hat sich schlagartig verändert.“
    Die beiden Zuhörer schauten ihn ungläubig an. Tuma dachte erst, Barsaumo hätte sich einen Scherz mit ihnen erlaubt. Doch dann erschrak er. Nicht in seinen wildesten Träumen hätte er sich Barsaumo als erbarmungslosen Mörder vorstellen können. Scham'en trat einen Schritt zurück, als würde er sich vor ihm fürchten. Er schwieg die ganze Zeit über.
    „ Du bist zu weit gegangen! Die Rache des Wesirs wird groß sein.“
    „ Er weiß doch nicht, dass ich es gewesen bin.“
    „ Und wenn er doch den Verdacht hegt? Du hast doch erzählt, er hat dich einmal gesehen, du warst für ein paar Tage einer seiner Arbeiter.“
    „ Er hat nie nach mir gefragt und ich habe nie mit ihm gesprochen. Er weiß nicht, wer ich bin.“
    „ Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Das ist so unglaublich!“
    So ernst hatte Tuma noch nie ausgesehen. Er dachte dabei nicht an das unschuldige Opfer, die schöne Aische, sondern befürchtete Repressalien seitens der Kurden. „Und das gerade jetzt! Vielleicht sind sie sogar deswegen hierher gekommen.“
    „Das kann nicht sein! Sie können unmöglich wissen, dass ich aus Badibe gekommen war.“
    Tuma war verwirrt, er geriet beinahe in Rage. Sein Gewehr hatte er vorsichtshalber auf den Felsvorsprung angelehnt. Scham'en hielt sein Gewehr vor ihm, mit dem Lauf zum Himmel gerichtet, er stützte sich mit seinen Händen darauf.
    Nun hastete Tuma vor ihnen hin und her. Barsaumo starrte immer noch nur den Stein vor ihm an.
    Dann blieb Tuma stehen, direkt vor Barsaumo und schaute auf ihn herab. „Du musst es dem Dorf sagen!“
    Der überraschte Barsaumo schaute dann doch noch zu Tuma auf. „Spinnst du? Sie werden mich umbringen. Nein, das werde ich auf gar keinen Fall machen! Ich habe euch davon erzählt, weil ich euch vertraue. Ihr seid meine besten Freunde. Ihr seid meine einzigen Freunde. Ihr dürft es niemand sagen!“
    Tuma seufzte resigniert und schaute zum Himmel auf. Scham'en schwieg immer noch. Seine Stille wirkte schon befremdlich auf die beiden anderen Männer. Es schien, als meditierte er.
    „Es betrifft uns alle! Die Ältesten des Dorfes müssen sich beraten. Als öffentlich wurde, dass es der Sohn des Muchtars war, der auf den Wesir geschossen hatte, blieb er auch unverschont.“
    „ Das hier ist aber etwas ganz Anderes!“
    Schließlich brach Scham'en sein Schweigen: „Wenn du es nicht tust, werde ich es tun! Gleich sofort.“
    „Was? Nein, warte! Bist du übergeschnappt?“, sprach Barsaumo laut, es war fast schon ein Geschrei, und er stand sofort auf und schaute Scham'en verächtlich in die Augen. Jetzt merkte Barsaumo, er hätte

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