Liebe und Völkermord
trafen sich kurz, er hatte die ganze Zeit auf die Wand auf ihrer Seite gestarrt und sie hatte sich genau auf seiner Augenhöhe hingesetzt. Er legte sich auf den Rücken hin und starrte nun auf die Decke. Sie schaute verzweifelt aus. „Nun sag mir doch endlich, was geschehen ist!“
Er schwieg und rührte sich nicht. Nur seine Augen bewegten sich, er schaute auf das vordere Ende des Zimmers, danach wieder zurück zur Mitte des Raumes genau über ihm. Dann brach es doch noch aus ihm heraus. Sein Temperament ging mit ihm durch. Er konnte sich nicht mehr beherrschen. „Warum hast du mich die ganze Zeit über angelogen?“
In einem solch lauten Ton hatte er bisher noch nicht zu ihr gesprochen. Meistens sprach er sogar so leise, sie musste ihn dann immer bitten, seine Worte in einer höheren Lautstärke zu wiederholen. Sie schaute ihn entsetzt an. „Wovon redest du? Wann habe ich dich angelogen?“
„ Du spielst mir doch nur etwas vor!“
„ Wovon redest du überhaupt?“
Er richtete sich auf, stützte sich mit den Armen ab, drehte sich zur Seite, zu ihr gewandt, lehnte seinen Rücken an die Wand und zog seine Beine an. „Du weißt ganz genau, wovon ich rede!“
Sie schaute verwirrt auf. Er seufzte und schaute verächtlich zur Seite. „Dieser Kerl, mit dem du dich immer heimlich triffst, Ali, oder wie er heißt, warum hast du mir nie von ihm erzählt? Und warum hast du nie erzählt, dass du in ihn verliebt warst?“
„ Ali? Nein! Ich bin nie verliebt in ihn gewesen. Er hat doch eine Freundin.“
„ Und warum triffst du dich dann immer noch mit ihm?“
Ihr Mund blieb offen. Woher er das wusste, fragte sie sich. Zum einen war sie wütend auf ihn, da er sie wohl ausspioniert hatte, jedoch wollte sie ihn nicht verärgern und nicht kränken. Er war der einzige noch verbliebene Mensch in ihrem Leben. Und sie mochte ihn von ganzem Herzen. Daher runzelte sie die Stirn und gab vor, verwundert zu sein. „Woher weißt du das? Wer erzählt so etwas?“
„Du warst so lange weg. Ich bin beinahe wahnsinnig geworden. So ging ich aus dem Haus. Ich blieb hinter unserem Haus. Ab und zu ging ich vor und schaute auf den Gehweg in Richtung Norden. Und da sah ich dich plötzlich, du warst dicht hinter ihm.“
Sie schaute verlegen zur Seite. Ihre Wangen wurden rot. Mit zusammengepressten Lippen schaute er sie grimmig an. Er sah es in ihren Augen, in ihrem Gesicht, die Geschichte über sie und diesen Kurden war wohl wahr. Sprachlos zuckte er die Achseln und hob verzweifelt seine Hände, als würde er sagen, nun seien sie leer und er habe alles verloren, was er je besessen hätte.
„Wir sind nur gute Freunde. Wir hatten uns einmal gestritten und er spricht seitdem nicht mehr mit mir. Ich habe ihn gefragt, warum er denn kein Wort mehr zu mir spricht. Das ist nicht nett, wenn jemand dich einfach so ignoriert und nicht mit dir spricht.“
„ Das soll ich dir glauben? Ihr seid verlobt gewesen!“
Meridschan hielt inne. Von wem habe er das erfahren, fragte sie sich. Nur jemand aus dem Dorf hätte ihm davon erzählen können. „Nein, wir sind nicht verlobt gewesen. Das stimmt nicht! Wer erzählt solch einen Unsinn?“
„Also seid ihr wirklich kein Liebespaar gewesen?“
„ Warum glaubst du mir nicht?“
Er schaute sie nachdenklich an. Sein Gefühl sagte ihm, sie habe ihn angelogen. Doch dann redete er sich ein, sie sei keine Lügnerin und keine Betrügerin. Sie sah so hübsch aus und war so nett zu ihm, sie konnte nur ein Engel sein. So zuckte er mit den Achseln und legte sich auf seine rechte Körperhälfte auf die Matte hin. Sie schaute ihm währenddessen zu. „Vertraust du mir etwa nicht?“
„Doch. Ich habe nur gefragt. Mehr nicht.“
„ Ich bin nicht so eine Frau. Was hast du von mir gedacht?“
„ Nein, das habe ich nicht gedacht!“
Sie waren laut, beruhigten sich aber wieder. Er schaute zu ihr auf und lächelte plötzlich. „Du bist so schön, Meridschan. Meine Meridschan. Du bist meine Frau, meine einzige Frau.“
Sie schaute nur vor sich hin.
„ Ich habe manchmal das Gefühl, als würdest du mir aus dem Weg gehen. Deswegen dachte ich, vielleicht wäre da ein anderer Mann in deinem Leben. Du musst mich verstehen. Ich habe auch Gefühle.“
„ Ich habe viel durchgemacht die letzten Tage. Ich kann einfach nicht. Und du dachtest allen Ernstes, ich würde die ganze Zeit an einen anderen Mann denken?“
„ Nein, so meinte ich das nicht ...“
Plötzlich schlug etwas gegen ihre Haustür. Beide
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