Liebe und Völkermord
erschraken. Matthias richtete sich auf und starrte die Tür an. Meridschan starrte ebenfalls die Tür an. Da war eine Menschenmenge vor ihrem Haus, sie wollte in ihr Haus eindringen. Mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand zeigte sie in Richtung Küche, Matthias nickte, erhob sich und rannte in die Küche und versteckte sich dort in der hinteren Ecke. Sie ging danach an die Tür, schob den Riegel zur Seite und öffnete die Tür. Das Raunen der Menschenmenge wurde immer lauter. Als sie die Tür halb geöffnet hatte, wurde es still und Mahmud trat hervor und stand nur einen Schritt von ihr entfernt. „Meridschan, befindet sich dieser kleinwüchsige Aramäer wirklich in deinem Haus?“
Imam Musa Ibrahim schlenderte in die Richtung zu seinem Anwesen. Er überquerte den Gehweg, ging dann direkt auf den Nebenweg auf den erdigen Boden und gelangte schon auf das Grundstück seines Anwesens. Auf seinem Weg nach Hause kicherte er immer noch wegen dem kleinwüchsigen Aramäer. Zwar war er bereits einigen Kleinwüchsigen begegnet, doch dieser war anders als jene. Eine besondere Ausstrahlung ging von ihm aus. Jedenfalls nahm Musa es so wahr.
Doch jetzt hielt er inne, als er zur Hinterseite seines Hauses schaute. Dort lag die Leiche seiner toten Frau. Von hier aus, zwei Meter von der Haustür entfernt, konnte er sie nicht sehen. Ein Schauder lief ihm über den Rücken und seine Miene verzog sich. Hatte wirklich er selbst diese schreckliche Tat begangen, fragte er sich. Die Szene seines Streites mit seiner Frau am Tag zuvor und seines anschließenden Wutausbruches und Totschlages der Frau durch ihn spielte sich vor seinen Augen noch einmal ab. Er schloss deprimiert seine Augen. Der Teufel hatte zu dem Zeitpunkt Besitz von seiner Seele und seinem Körper ergriffen, redete er sich ein. Nicht er selbst hatte die Tat begangen, sondern Satan sei es gewesen.
Erst setzte er seinen rechten Fuß nach vorne und wollte zur Haustür schreiten, doch dann hielt er inne und schlenderte doch noch um das Haus herum bis zur Leiche. Dieses Mal war es ein anderes Erlebnis für ihn. Dort lag seine Frau, sie war tot. Doch sie war es nicht. Was er dort sah, war nur eine Hülle. Nurdschans Körper war nur eine Hülle. Sie selbst war fort. Sie war weggeflogen. Die Engel hatten sie zum Himmel getragen und ins Paradies geführt.
Er weinte. Nurdschan würde er nie wieder sehen. Recht hätte sie gehabt, er war wirklich habgierig. Seine Habgier hatte ihn übermannt. Diese Habgier käme ebenfalls von Satan höchstpersönlich. Dann fielen ihm die Ikonen ein, sie seien es gewesen, sie hätten die Habgier in ihm geweckt, sie seien das Werkzeug Satans. So schnell wie in seiner Jugend rannte er zurück vor die Haustür, öffnete sie, rannte in sein Schlafgemach und holte die Ikonen hervor. Nurdschan hatte mit all ihrem Körpergewicht auf sie getreten. Die Bilder waren aus den goldenen Rahmen herausgerissen, bei allen dreien. Er hob die Bilder auf. Das Christus-Bild lag auf den anderen beiden. Er betrachtete es und überlegte, was er mit den Bildern anstellen sollte. Entweder würde er sie vernichten oder er würde sie zurück in die Kirche bringen.
Er riss alle drei Bilder entzwei.
Dann nahm er einen der vergoldeten Rahmen mit seiner rechten Hand hoch und trat mit dem Knie seines rechten Beines gegen die linke Seite. Der Rahmen brach auseinander. Genauso ging er bei den beiden anderen Rahmen vor. Nun lagen die einzelnen Stücke der Rahmen aufeinander vor seinen Füßen. Dieses Gold musste weggeschafft werden. Doch es wäre dann eine Verschwendung gewesen. Hatte er doch ursprünglich die Ikonen lukrativ verkaufen wollen, so konnte er jetzt immerhin noch diese Stücke aus Gold zu einem guten Preis verkaufen. Er würde das viele Geld nur für einen wohltätigen Zweck ausgeben. Und so sei Nurdschans Tod doch nicht ganz sinnlos gewesen.
Erschrocken warf er das Rahmenteil auf den Boden. Jemand klopfte an seiner Tür. Mit seinen Füßen schob er hastig die Rahmenteile unter die Matte und eilte zur Tür.
Mahmud betrat das Haus. Er fragte den Imam nach seinem Wohlbefinden. Musa bedankte sich bei ihm. Seinem Gast fiel sofort die Nervosität des Hausherrn auf. Als sie sich die Hände reichten, war die rechte Hand des Geistlichen feucht von Schweiß. Und er stank nach Schweiß. Mahmud blieb im Korridor stehen und drehte sich wieder zur Tür um. „Eure Frau ist wohl nicht zuhause. Dann möchte ich mich nicht ins Wohnzimmer setzen. Ich möchte Euch keine Umstände
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