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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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stehen und schaute auf Madschid herab. „Ist es bequem?“
    Madschid schaute ihn nur grimmig an. Ali trat zur Seite und hob von seiner Garderobe eine große, vierfach gefaltete, blaue Decke hervor und legte sie über des Aramäers Körper. Der Christ war schon überrascht. Dann schritt der Pascha zum Ausgang und drehte sich noch einmal zu ihm um. „Schlaf gut! Bis morgen.“
     
    Karim teilte sein Zelt mit seinen Genossen Abdul und Raschid. Abdul war der jüngste dieser Männergruppe, 21 Jahre alt, Raschid war 29 Jahre alt. Die beiden jungen Männer waren sehr unterschiedlich. Wenn der eine etwas mochte, mochte der andere es nicht. Abdul liebte dunkelhäutige Frauen, Raschid bleichgesichtige. Abdul mochte Hühnerfleisch, Raschid verabscheute es. Sie waren Rivalen, als solche verstanden sie sich. Nur was ihre Pflichten gegenüber ihrem Sultan betraf, da verhielten sie sich wie Brüder. In der Schlacht standen sie nebeneinander, wenn der eine verwundet wurde, deckte ihn der andere. Zu einem echten Streit, wobei es handgreiflich geworden wäre, kam es hingegen nie.
    Raschid hatte kleine, tief in der Augenhöhle sitzende dunkle Augen. Er war kein Schönling. Abduls Augen saßen nicht so tief in seinem Gesicht. Zwar war er ebenfalls kein Schönling, doch seine Aussichten bei den Frauen waren stets viel besser als die des Raschid.
    Der extrovertierte Raschid machte dies mit seinem Talent im Umgang mit dem Schwert wett. Die Männer in seinem Gefolge hatten es nie gewagt, ihn zum Zweikampf herauszufordern. Abdul ebenso nicht.
    Sie hatten beide ihre Matten auf die rechte Seite des Zeltes gelegt, genau nebeneinander. Sie lagen mit ihren Beinen zu denen des anderen gerichtet auf ihren Matten. Karim hatte seine Matte auf der linken Seite des Zeltes.
    Schon so früh hatten sie sich zum Schlafen hingelegt, obgleich keiner von ihnen einschlafen konnte. Raschid redete gewöhnlich laut, doch hier im Zelt sprach er in einer niedrigeren Lautstärke, denn die Soldaten in ihren Zelten nebenan konnten ihn hören, wenn sie sich nicht gerade miteinander unterhielten. Als sie das Lachen der Soldaten in ihren Zelten nebenan vernahmen, sprachen die drei Kameraden miteinander.
    „Was glaubt ihr, wie lange werden wir in dieser Einöde verrotten müssen?“, fragte Raschid. „Ich habe es satt, jeden Tag durch die Täler, Hügel und Wälder zu streifen und auf Menschenjagd zu gehen.“
    „ Wir befinden uns im Krieg. Unsere Feinde sind überall. Auch jene, welche wir nicht als Feinde wähnen, könnten welche sein. Wir ziehen das jetzt durch! Egal, wie lange es dauert“, erwiderte Karim.
    Dann sprach der sich für gewöhnlich zurückhaltende Abdul: „Glaubt ihr wirklich, Allah wird uns für diese Taten belohnen?“
    Diese Frage war ernst gemeint. Alle drei Männer waren gläubige Muslime, auch wenn sich Karim alles andere als religiös bezeichnete.   
    Seine beiden Freunde jedoch schwiegen. Es war eine merkwürdige Stille. Sie verriet, sie hatten ihre Zweifel an diesem Glauben. War all das Christen-Abschlachten wirklich eine gottgefällige Tat?
    Doch sie waren Soldaten in einem fortlaufenden Krieg. Er ließ ihnen keine Atempause und keine Zeit zum Nachdenken.
    So betrat in jenem Augenblick zu ihrer Überraschung Agha Muhammad Ali ihr Zelt. Sie erhoben sich von ihrem Platz, um ihm ihre Ehrerbietung zu erweisen, er aber streckte seine Hände in ihre Richtung aus und deutete ihnen damit an, auf ihren Matten sitzen zu bleiben. Karim schaute den rastlosen Agha an und bemerkte seine Trunkenheit. „Muhammad, setz' dich bitte hin“, sagte Karim mit bedrückter Miene zu seinem Agha. Doch Muhammad schaute verächtlich auf den Boden und hastete das Zelt auf und ab. Dann schließlich setzte er sich doch auf die Matte der mittleren Seite hin.
    „Hat dich der Jüsbaschi verärgert?“, fragte ihn Karim.
    „ Dieser verfluchte Deutsche! Was hat überhaupt ein Deutscher hier zu suchen? Warum mischen die sich in unsere Angelegenheiten ein?“
    Karim schaute ihn verständnislos an. „Was ist denn geschehen?“
    „Dieser Deutsche, dieser Generalmajor Heinz Sturm, er hält sich für etwas Besseres als wir. Er verachtet uns. Er respektiert nicht unsere Kultur, unsere Traditionen und unsere Lebensweise.“
    „ Hat er das gesagt?“
    „ Er hat es so gemeint.“
    Raschid und Abdul schauten sich gegenseitig mit gerunzelter Stirn an. Karim schaute die ganze Zeit nur Muhammad an. Der Agha sah schlecht aus, sein Gesicht war blass, unter seinen Augen waren

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