Liebe und Völkermord
kennen. In der Bibelübersetzung von Martin Luther werden sie ,Syrer' genannt.“
„ Was sie euch alles an der Militärakademie beibringen! Aber merke dir das, Johann, ich bin nicht irgendein verdammter Schüler! Hast du mich verstanden, Junge!“
„ Verzeiht mir, mein Herr.“
„ Schon gut. Es ist gut, seine Feinde und seine Freunde zu kennen. Wir wissen mehr über sie, als sie selbst über sich wissen. Das ist unser Vorteil.“
„ Sie werden von den Türken ,Sürjani' genannt und sie selbst nennen sich sogar ,Surjoje', was beides ,Syrer' bedeutet.“
„ Sie selbst nennen sich nicht ,Aramäer'?“
„ Die griechische Kultur, der Hellenismus, hatte für mehr als tausend Jahre, von der Zeit der Seleukiden bis zu den byzantinischen Kaisern, starken Einfluss auf die einheimischen Völker, vor allem auch durch das Christentum, also die Kirche. So haben sich die griechischen Begriffe mit der Zeit bei den Einheimischen eingebürgert.“
„ Also ist die Bezeichnung ,Syrer' gleichbedeutend mit ,Aramäer'?“
„ Genau so ist es, mein Herr.“
„ Aber sie müssen doch wissen, dass sie Aramäer sind. Haben sie denn keine eigene Bezeichnung für ihr Volk?“
„ Doch, das haben sie. Sie nennen sich bei Gelegenheit auch ,Oromoje'.
„ Die griechische Kultur ist wirklich die vortrefflichste aller.“
„ Die Gelehrten der Aramäer haben die Werke des Aristoteles, des Xenophon und der anderen bewahrt, ins Arabische übersetzt und durch die arabische Invasion Europas gelangte schließlich das Wissen der Antike über die Araber zu uns. Ihnen haben wir den Fortschritt unserer Zivilisation zu verdanken.“
„ Interessant, was du alles gelernt hast. Jetzt verstehe ich auch, warum du dich um diesen Posten bemüht hast.“
Jetzt erst bemerkte Johann, er hatte zu viel geredet. Heinz fühlte sich in seiner Ehre beleidigt. Für den Jungen war es also keine Ehre gewesen, in seine Dienste zu treten. Er hatte ihn angelogen und ihm die ganze Zeit über etwas vorgespielt. Der Alte wurde nervös, er schwitzte sogar, der Schweiß rann ihm von der Stirn herunter. Johann fürchtete sich, denn er kannte die Unberechenbarkeit und die Skrupellosigkeit seines Herrn. Im nächsten Moment wäre sein Schicksal wohl besiegelt. Doch dann beruhigte sich der Generalmajor. Er schaute wieder geradeaus, in die Ferne. „Es ist so heiß heute und es wird bestimmt noch viel wärmer. Und wir werden wohl noch einige Monate auf diesem Feldzug bleiben müssen.“
Heinz hatte Johanns Leben verschont. Johann war der einzige Deutsche in dieser Region. Und er war jung. Auch wenn er ihn enttäuscht hatte, so liebte er immer noch seine Gegenwart und wollte sie nicht aufgeben. Johann hingegen wusste, der Oberoffizier würde einen hohen Preis von ihm verlangen. Das Abenteuer hatte ihn in diese Region gelockt und nun erlebte er den reinsten Horror.
„ Wir werden in wenigen Stunden in Iwardo ankommen. Dann wird die Belagerung beginnen, die sicherlich einige Zeit dauern wird.“
„ Es heißt, die Festung von Iwardo sei uneinnehmbar. Nur fünfzig Mann auf den Mauern könnten ein Heer von 100.000 Mann zurückschlagen. Wir sollten uns aus den Kampfhandlungen heraushalten, mein Herr.“
Sich als Feigling vor Heinz zu entlarven, war gewiss keine gute Idee. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, der Generalmajor solle nicht denken, er müsse sich als Held des Feldzugs bewähren. Und er müsse sich nicht schämen, wenn er sein eigenes Leben wahren wollte.
„Du bist schlau, mein Junge. Ja, ein Frontalangriff auf die Festung wäre purer Irrsinn. Deswegen werden die Türken und Kurden sie belagern und die Belagerten aushungern. Das wird uns viel Zeit beschaffen für unsere eigenen Interessen.“
Johann wagte es nicht, dem Generalmajor eine Rückfrage zu stellen, was er mit „für unsere eigenen Interessen“ meinte. Er konnte es sich schon denken. Heinz wollte den Agha aus dem Weg schaffen und er selbst sollte die Drecksarbeit erledigen.
Chaos
Abuna Isa hatte die vertrauenswürdigen Mönche des Klosters über den Fall aufgeklärt. Bischof Ambrosiani bedauerte nicht nur den Vorfall mit Barsaumo und Tuma, er schlug vor, den Jungen zu bestrafen. Er war der Meinung, ein ungesühntes Verbrechen würde das erneute Begehen eines solchen heraufbeschwören. Abuna Isa und auch der Mönch Petrus widersprachen ihm und erteilten ihm eine Nachhilfestunde über die Mentalität ihres Volkes. Der Italiener hielt sich darauf in diesem Fall zurück. Er
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