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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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Abstand. Stets postierten sie Wachen von zwei Mann vor den Hügeln. Da sie einen Angriff aus dem Süden für unwahrscheinlich hielten, konzentrierten sie ihre Soldatenstärke auf den Norden. Das Zelt des Paschas hatten sie im Süden aufgeschlagen. Um sein Zelt herum waren zehn Söldner postiert, in einem Abstand von etwa fünf Metern zum Zelt, um nicht der Konversation innerhalb des Zeltes lauschen zu können.
    An diesem Abend saß der Pascha im Schneidersitz bedächtig auf der Matte in der Mitte auf der gegenüber vom Eingang liegenden Seite. Vor ihm lag Madschid auf den Knien. Seine Hände waren hinter seinem Rücken mit einem festen Seil gefesselt. Unauffällig versuchte er, das Seil von seinen Händen abgleiten zu lassen, doch es funktionierte nicht. Dem Pascha waren Madschids Entfesselungsversuche aufgefallen, er blieb jedoch ruhig, denn die Fesseln würden in jedem Fall halten, dachte er.
    Eine ganze Weile lang – Madschid kam es wie eine halbe Ewigkeit vor – musterte Ali den Badebojo. Nicht sein Äußeres interessierte den Türken. Denn äußerlich unterschieden sie sich nicht von den hiesigen Kurden und Türken. Vielmehr versuchte er, in die Gedankenwelt des Aramäers einzudringen. Selbst hatte er sich noch nie in einer solch verzweifelten Lage befunden. Er war sich sicher, er selbst hätte nie solch Mut wie dieser Christ bewiesen. Hätte irgendjemand ihm ein Schwert an die Kehle gehalten, er hätte winselnd um sein Leben gebettelt. Dieser junge Mann vor ihm aber hatte im Angesicht des Todes kein bisschen Furcht in seinen Augen. Wie gerne hätte er sich ihn zu seinem Freund gemacht. In Anbetracht der Umstände würde dies sehr schwierig zu erreichen sein. „Erzähl mir etwas über dich! Woher kommst du? Und wer sind deine Eltern?“
    Madschid schaute den Türken nur mit finsterer Miene an. Der Pascha hatte es schon geahnt, er musste erst einmal das Vertrauen des Aramäers gewinnen, was viel Zeit kosten würde. Irgendwie musste er ihn zum Reden bringen. Er wollte aber nichts über die Aramäer und ihre Pläne bezüglich ihrer Verteidigung wissen, sondern er war wirklich an der Person des Christen interessiert. „Sprich, Junge! Ich verspreche dir, dir wird nichts geschehen. Ich bin der Oberbefehlshaber dieses Unternehmens. Alle unsere Söldner und Offiziere unterstehen mir. Ich gab dir mein Wort. Und ich habe noch nie mein Wort gebrochen, mein Freund.“
    Selbst solche schönen Worte konnten Madschid nicht zum Reden bringen. Schließlich seufzte der Pascha resignierend. Dann erhob er sich von seinem Platz, trat zur Ecke zu seiner linken Seite und hob eine Feldflasche auf. Er drehte sich zu dem Aramäer um und hielt die Flasche in seine Richtung. „Das ist Wein. Er soll gut schmecken, sagen sie. Ich habe ihn nie probiert. Ich trinke kein Alkohol. Ich habe noch nie alkoholische Getränke genossen. Was das betrifft, bin ich sehr ehrgeizig. Wie du siehst, ich habe es weit gebracht.“
    Das war eine Lüge, denn er trank in seinem Haus Alkohol.
    Er schritt langsam auf Madschid zu. Der Aramäer schaute die ganze Zeit auf die Flasche.
    „ Ihr Christen aber dürft Alkohol trinken. Glaub mir, was diesen Aspekt betrifft, wünschen sich viele Muslime Christen zu sein.“
    Darauf lachte der Pascha laut. Als er verstummte, hielt er die Flasche vor Madschids Mund. „Trink ihn! Tu es für mich. Sonst bin ich beleidigt. Und sag mir, ob er gut schmeckt!“
    Ali nahm den Eisendeckel herunter und hielt die Mundöffnung an des Aramäers Lippen. Madschid gab dann doch noch nach. Er öffnete seinen Mund. Der Pascha hob die Flasche etwas an, so floss der Wein in kleinen Strahlen aus der vollen Flasche heraus, direkt auf die Zunge des Gefangenen. Bisher hatte Madschid nur einmal in seinem Leben Wein getrunken und das war vor fünf Jahren auf einem Markt in Mardin gewesen. Angesichts dessen, was er die letzten Tage erlebt hatte, war dieser Schluck Wein wie göttlicher Honig für ihn.
    Nachdem Madschid das zweite Mal geschluckt hatte, nahm der Pascha die Flasche von seinem Mund und schaute ihn neugierig an. „Und? Wie schmeckt er? Wehe, du lügst mich an!“
    Trotz solch eines Spruches und des Lächelns des Paschas wich Madschids Zorn nicht.
    Ali drehte sich um, legte seine Hände hinter seinen Rücken und schritt zu seinem Platz zurück und blieb vor der Matte stehen. „Wir ziehen nach Iwardo. Wir wissen, dass viele Aramäer dorthin geflohen sind und sich in der Festung verschanzen. Wir werden sie belagern, bis sie aufgeben

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