Liebe und Völkermord
Mittag.
Orhan begleitete ihn in sein Zelt. Ali blieb mitten im Raum stehen und schüttelte den Kopf. „Morgen werden wir sehen, ob das Wasser des Brunnens vergiftet ist. Wir müssen eine Panik im Lager vermeiden. Dazu darf es nicht kommen. Sorge dafür! Sprich mit den Männern. Tu es jetzt sofort!“
Orhan nickte nur und humpelte davon.
Als sein erster Offizier endlich fort war, warf er sich auf seine Matte. Er atmete tief durch.
Währenddessen wachte Heinz auf. Auf seiner Stirn befanden sich dutzende Schweißperlen. Er versuchte, sich aufzurichten, doch fiel er wieder zurück. Johann saß neben ihm, er war eingenickt.
„ Johann!“, sprach er mit seinen letzten Kräften. Johann aber wachte nicht auf.
„ Johann!“, sprach er lauter. Der Ruf hatte ihm viel Kraft gekostet.
Der junge Mann öffnete seine Augen kurz, dann nahm er die Situation wahr und wachte auf. Er beugte sich vor zu seinem Vorgesetzten. „Wie geht es Euch?“
Heinz atmete schwer. Er schüttelte nur den Kopf. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er starrte nach oben. Dort sah er etwas. Er sah eine Gestalt, entstanden durch die Fantasie seines Verstandes.
Johann betrachtete seinen Herrn mitleidsvoll. Er wusste nicht, was er für ihn tun sollte.
Dann endlich sprach der Generalmajor. „Fatima, du bist wunderschön. Ich liebe dich. Ich liebe dich mehr als alles andere in der Welt.“
Johann rührten Heinz' Worte. Sein Herr hatte offenbar doch ein weiches Herz und war zur Liebe fähig.
Heinz drehte seinen Kopf etwas zur Seite und schaute Johann an. Sein Gesicht war versteinert. Seine Augenlider blieben hängen. Wenn seine Lippen sich bewegten, dann ganz langsam.
„ Tust du mir einen letzten Gefallen, Johann?“
„ Was Ihr wollt, mein Herr.“
„ Ich möchte, dass du Fatima freikaufst und sie mit nach Deutschland nimmst! Wirst du das für mich tun?“
Johanns Gesicht war rot geworden. Er war tief bewegt. Seine Unterlippe war angezogen und sein Kinn ragte hervor. „Ja, mein Herr, ich verspreche es Euch.“
Als das Sonnenlicht sein Zelt traf, öffnete der Pascha seine Augen. Er erhob sich sofort von seinem Bett. Eine ganze Weile lang blieb er aufrecht sitzen. Er ahnte es, dieser Tag würde entscheidend sein.
Seine Kleidung des vorigen Abends trug er immer noch. Er hatte in der Nacht geschwitzt und sein Hemd unterhalb seines schwarzen Gewandes war feucht.
Nach einer Weile bat Orhan vor dem Zelt um Eintritt.
Orhan trat mit der Erlaubnis des Paschas hastig ein. Er atmete schwer und seine Miene war verzogen. „Der Bischof ist wieder zurück. Er möchte sofort mit Euch sprechen, Exzellenz.“
So früh hatte Ali den italienischen Bischof nicht erwartet. Er ahnte ebenfalls schlechte Nachrichten und verzog seine Miene.
Noch einmal schaute er um sich, um sich zu fassen, dann erhob er sich mit einem Ruck und folgte Orhan hinaus.
Sie gingen über den Vorplatz, – die Zelte der Soldaten standen in einem Abstand von zehn Metern zu dem des Paschas – zwischen zwei Zelten, und dort stand schon Bischof Ambrosiani vor ihnen. Seine Hände hielt er zusammengefaltet vor seinem Bauch. Als er Ali erblickte, verneigte er sich. Ali ließ die Förmlichkeiten weg. „Bringt Ihr gute Nachrichten, Eminenz?“
„Leider nein, mein Herr. Sie wollen nicht kapitulieren. Es soll anderenorts ähnliche Fälle gegeben haben, wo die Türken den Christen gegen Ablieferung ihrer Waffen versprochen hätten, sie zu verschonen, dann aber sie alle doch umbrachten.“
„ Ich bin ein Ehrenmann! Habt Ihr ihnen das nicht gesagt?“
Ali schnaubte, so enttäuscht war er. Der Bischof verneigte sich ängstlich. „Gewiss, das habe ich betont.“
Der Pascha schüttelte den Kopf. Er drehte sich um und schritt davon. Orhan holte ihn ein. „Was soll mit dem Priester geschehen, mein Herr?“
„ Ach, lasst ihn laufen!“
Orhan eilte zurück zum Bischof und teilte ihm mit, er sei frei. Der Bischof zog sich darauf in Richtung Klosterfestung zurück.
Als er bei seinem Zelt ankam, stand der Jüsbaschi Mustafa vor dem Eingang. Sie gingen in sein Zelt, der Jüsbaschi ging vor. Sie blieben mitten im Raum stehen und schauten sich in die Augen.
„ Generalmajor Heinz Rüdiger Sturm ist tot. Er ist eben verstorben, wie mir sein Adjutant mitgeteilt hat. Hundert unserer Männer sind plötzlich krank geworden. Der Agha lag im Streit mit dem Deutschen, es könnte sein, dass der Adjutant des verstorbenen Generalmajors auf ihn zu geht. Es könnte zu großen Unruhen kommen. Wir
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