Liebe und Völkermord
konstruierten Geräten. Sie nannten das Musik. Und manche von ihnen sprachen zu gegebenen Anlässen in einem anderen Ton zu den Gästen. Das taten sie meistens in Gruppen. Eine Gruppe, welche aus Gleichaltrigen und Gleichgeschlechtlichen bestand, tat dies und die andere hörte ihnen zu. Sie bestand meistens aus viel älteren Leuten. Sie nannten das Singen.
Was ihm aufgefallen war, ihr Kommunizieren war nicht immer gleich. Ihre Zunge gab manchmal andere Laute von sich. Sie sprachen also verschiedene Sprachen. Das konnte Cäsar nie verstehen. Warum hatten sie denn nicht nur eine einzige Sprache? Sie waren doch alle Menschen. Sie gehörten doch alle derselben Rasse an. Wie sollte denn ein Mensch sich in einem anderen weit entfernten Ort mit seinen Artgenossen verständigen können?
Wie umständlich diese Menschen doch waren. Anscheinend war ihr Verstand doch nicht so groß, wie Cäsar glaubte.
Was Cäsar ebenfalls nicht verstand, war, warum sie an manchen Tagen viel Fleisch kochten und an manchen anderen darauf verzichteten. Sie nannten das Fasten. Sie taten das für ihren sogenannten Schöpfer. Wer dieser Schöpfer war, woher er kam und warum er gerade solche Opfer von diesen Menschen verlangte, das konnte er sich nicht erklären.
Es gab eine kleine Gruppe von Menschen hier in diesem Dorf, welche sich von den anderen trennte. Cäsar fiel auf, sie taten dies bewusst und vorsätzlich. Aber warum? Sie waren doch auch Menschen wie sie. Sie sahen genauso aus wie sie. Und sie verstanden einander doch. Diese Menschen waren wirklich komische Wesen.
Und bisweilen führten sie Krieg gegeneinander. Vor allem das konnte Cäsar nie verstehen. Warum verbündeten sie sich nicht und kämpften zusammen gegen die anderen Rassen? Sie töteten sich nicht gegenseitig, um ihre Nahrung zu sichern. Sie töteten, weil sie des Anderen Hab und Gut an sich reißen wollten. Wie bescheuert!
Er war ein guter Hund. Cäsar, diesen Namen hatte ihm Matthias gegeben. Matthias sprach zu ihm in dieser Sprache mit diesen schönen Lauten. Dieser kleine Mann war so sanftmütig zu ihm. Gerne nahm er ihn als seinen einzigen Herrn an und mit Freuden führte er seine Befehle aus.
Dieser Herr würde ihn nicht enttäuschen. Er würde ihn nicht im Stich lassen. Noch würde er ihn ohne guten Grund einfach so töten. Zwar war er nur ein Tier und handelte nur nach seinem Instinkt, aber wenn er wie ein Mensch hätte sprechen können, nur ein einziges Mal, dann hätte er gesagt, er sei verliebt. In Matthias.
Hier in diesem Teehaus in Dijabakir waren sie ganz allein. Sogar der Wirt durfte nicht anwesend sein. Ihre Unterredung war streng geheim, kein Wort davon durfte nach außen dringen. Und von den Menschen in der näheren Umgebung sollte sie nicht in Kenntnis genommen werden. Die Menschen schwiegen, nicht weil sie diesen beiden Aghas gegenüber wohlgesinnt waren, sondern weil sie Angst um ihre Familien hatten.
Agha Bilad hatte den Agha Tschalabi um dieses Treffen gebeten. Tschalabi musste der Einladung folgen, um die neuesten auf seine Person bezogenen Gerüchte aus der Welt zu schaffen. Schon vor seinem Antritt der Reise von seinem Heimatort Nusaybin bis hierher nach Dijabakir war Tschalabi klar, was das Hauptthema ihrer Diskussion werden würde.
„ Agha Tschalabi, der Anlass für unser Treffen ist aus friedlichem Grund. Das Verhältnis zwischen uns ist in letzter Zeit angespannt gewesen. Nochmals bitte ich Euch um Entschuldigung für den Vorfall vor sechs Monaten in Mardin. Ihr habt mein Wort, ich hatte dem Mann keinen derartigen Befehl erteilt. Er hat aus persönlichem Interesse gehandelt. Wie mein Wesir Muhammad Ali in Erfahrung bringen konnte, hatten die beiden Männer schon vorher eine Auseinandersetzung wegen einer Frau gehabt.“
„ Ja, Agha, das ist mir bereits bekannt. Jussuf bestätigte mir persönlich diese Behauptung. Daher habe ich den Fall für mich persönlich abgeschlossen.“
„ Gut. Wir sind beide Brüder, wir gehören demselben Volk und derselben Religion an. Warum können wir diesen kalten Krieg nicht einfach beenden? Wir haben gemeinsame Feinde. Agha, glaubt mir, sie wünschen sich, uns jeden Moment auszulöschen. Sie ziehen daher aus unser beider Zwist ihren eigenen Nutzen. Ich behaupte, sie lachen. Oh ja, sie lachen über uns beide.“
Agha Tschalabi gab vor seinem Gegenüber vor, über dessen Worte nachzudenken. Er nahm einen Schluck vom Tee aus dem Glas vor sich. Seine Augen blieben die ganze Zeit über scharf unter seinem
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