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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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hatten die Badeboje zwei Schwerverletzte zu beklagen. Es waren die Enkel des Muksi Antar, die beiden Söhne des Danho. 
    Mehr als hundert Leichen der Türken lagen unten auf dem Hang. Nun zögerten die Türken und feuerten nicht mehr auf die Dorfbewohner. Ali Pascha überlegte, was er als nächsten Schritt tun sollte. Schon am ersten Tag, beim ersten Angriff, hatte er bereits über 100 Mann verloren. Er hatte die Aramäer falsch eingeschätzt. Woher sie all die Waffen und die Munition hatten, konnte er sich nicht erklären.
    Die Aramäer wunderten sich über die Waffenpause. Fast schon wähnten sie sich als Sieger. Der Dorfälteste Aljas jubelte sogar laut. Isa, Matthias' Vater, ermahnte ihn, das sei sicherlich noch nicht das Ende.
    Zu ihrer Verwunderung tauchte Soro mit seinen beiden hochgewachsenen Söhnen und seinen beiden Neffen auf. Die Jesiden wurden zwar toleriert von den Aramäern, doch wurden sie stets mit Misstrauen betrachtet, schließlich waren sie Kurden. Muchtar Murad lehnte ihre Hilfe ab, er traute ihnen nicht. Sie seien nicht so dumm, um Verräter in ihren Reihen aufzunehmen, sagte er. Abuna Isa schritt ein und ermahnte alle Anwesenden. Es sei jetzt nicht die Zeit für Ränkespiele und falsche Eitelkeiten. Er würde Soro gut kennen und würde sogar für ihn bürgen. Die meisten Aramäer akzeptierten mit einem Seufzen die Entscheidung des Abunas.
    Dann plötzlich fielen wieder Schüsse und der Dorfälteste Aljas wurde getroffen. Die Aramäer bezogen sogleich Stellung und feuerten zurück, nun zusammen mit den fünf Jesiden.
    Die Türken wagten einen Sturmangriff, sie verteilten sich über den Hang und rannten die Anhöhe hinauf. Doch der Hang war zu steil und der Boden an einigen Stellen morastig, so fielen viele türkische Soldaten zu Boden oder kamen nicht schnell voran. Die Aramäer luden ihre Gewehre, die alten Gewehre 88, nach, so schnell sie konnten, und feuerten unaufhörlich auf die Feinde. Die 42 Männer lagen nebeneinander auf dem erdigen Boden, das Gewehr auf ihrer rechten Schulter. In nur wenigen Minuten hatten sie wieder mehr als 100 Türken getötet. Die Leichen standen nun den Angreifern im Wege.
    Ali Pascha befahl seinen Männern den Rückzug. Weitere Angriffe würden zwecklos sein. Mit Verlusten auf seinem Genozid-Feldzug hatte er nicht gerechnet. Es war schon am späten Nachmittag, nur noch zwei Stunden und es würde dunkel werden. Er beschloss, sich auf das syrische Hinterland zurückzuziehen. Er wollte so die Aramäer im Glauben lassen, er hätte sich zurückgezogen und es würde keine Gefahr mehr von ihm ausgehen, doch wollte er am nächsten Tag nach Norden ziehen und vom Osten her über die im Tal liegenden aramäischen Dörfer herfallen.
    In seinem Lager kam es zu Aufruhr. Dutzende Männer standen vor seinem Zelt, ihre Rüstungen blutüberströmt, ihr Gesicht schwarz vom Schwefel. Der Pascha, sauber und unverletzt, trat persönlich an sie heran. Erst hörte er ihnen zu. Als Psychologe wusste er, er musste erst einmal ihnen zuhören, denn, wenn er zuerst gesprochen hätte, hätten sie ihn als größenwahnsinnig eingestuft und womöglich wäre dann sein Leben in Gefahr gewesen. „Männer, hört mich bitte an. Wie so oft im Leben gibt es immer wieder Überraschungen, mit denen man nicht gerechnet hat. Dieses Dorf ist an einem strategisch sehr gut gelegenen Ort. Leider hatten wir den Moment der Überraschung nicht auf unserer Seite. Morgen werden wir die Dörfer des Tales angreifen. Sie sind leicht einzunehmen. Ich gebe sie für die Plünderung frei.“
    Die Männer runzelten ihre Stirn beim Wort „Plünderung“. Sie freuten sich auf den nächsten Tag.
    Erleichterten Herzens betrat Ali Pascha wieder sein Zelt. Er war nicht für den Krieg geschaffen. Trotz allem war er immer noch ein Gebildeter, er gehörte eigentlich an die Universität und nicht als Offizier auf das Schlachtfeld. Dies war der Preis für seine Vorliebe für das ausschweifende Leben.
    Sein erster Offizier Orhan betrat sein Zelt. Sie waren in demselben Alter und waren mehr wie Kommilitonen denn Vorgesetzter und Untergebener.
    Auffällig an Orhan war seine gebrochene Nase. Sie zog sich wie eine in Bogenform liegende Schlange über sein Gesicht.
    „Sie sind aufmüpfig. Wenn wir morgen keinen Erfolg landen, fürchte ich das Schlimmste für uns, Orhan.“
    „ Wir haben heute viele Männer verloren. Sie fragen sich, wofür all das. Das ist normal. Morgen werden sie alles wieder vergessen haben.“
    Ali lehnte sich

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