Liebe und Völkermord
neue Königin sein. Alles, was mir gehört, gehört jetzt auch dir. Weißt du, ich habe mich schon damals, als ich dich das erste Mal sah, als du uns den Tee brachtest, in dich verliebt. Ich weiß, du warst voll verschleiert, ich konnte nur deine Augen sehen, aber das genügte schon. Deine wunderschönen Augen verrieten mir, dass du die schönste Frau der Welt sein musst. Als ich dich dann in deinem Schlafgemach sah, wurde ich darin bestätigt.“
Er musste ihr irgendwie schmeicheln. Eigentlich wollte er sie schlafen lassen. Doch seine Inbrunst hielt ihn dort fest. Dann kam ihm wieder der Jüsbaschi und der bevorstehende Feldzug in den Sinn. Dafür würde er viel Kraft brauchen. Und wenn er irgendwie durch das Geschoss eines Christen umkäme oder sie Attentäter schicken sollten. Vielleicht hatte er nur noch diese eine Nacht in seinem Leben.
So geschah nun, was konsequenterweise nach der Analyse des Charakters dieses Mannes geschehen musste. Er beugte sich langsam und stützte sich mit seinen Händen auf dem Boden ab. Er legte sich quer hin, genau neben ihrer Matte. Er atmete nun schwerer. Fatima konnte seinen Hauch mit ihren Haaren spüren. Sie öffnete langsam ihre Augen. Sie verharrte in dieser Position.
Er rückte näher. Mit dem Zeigefinger seiner linken Hand griff er in ihre Haarpracht und strich sie herunter, dann nahm er mit der ganzen Hand ihre restlichen Haare auf ihrer linken Schulter und strich sie nach unten. Er fasste sie an ihrer linken Schulter an und zog ihr Kleid am oberen Ende zur Seite. Ihre Schulter war nun entblößt. Er küsste sie.
Seine Lenden wurden kräftiger, er konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er fasste sie an ihrer Hüfte, dann am Bauch, an. Sie war dürr. Ihm gefielen zwar nur dünne Frauen, doch sie sollten nicht abgemagert sein. In diesem Augenblick aber war ihm das gleichgültig. Er zog das untere Ende ihres Kleides hoch und nahm sie von hinten. Aus ihr kam kein Ton heraus. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie brauchte Zeit zum Überlegen. Sich jetzt zu wehren gegen diesen Mann erschien ihr zu waghalsig, schließlich war er ein kaltblütiger Mörder, hatte sie doch sein Werk mit eigenen Augen gesehen. Nein, sie musste mit aller ihr noch verbliebener Kraft diese Tortur über sich ergehen lassen. Und zudem hatte sie bisher in ihrem Leben nur einen Mann gehabt, und es war ein alter Mann im Alter des Vaters ihres Vaters. In gewisser Weise also wollte sie wissen, wie sich der Akt mit einem anderen und viel jüngeren Mann anfühlte.
Seine Stöße waren wahrlich eine Tortur für sie, doch gaben sie ihr merkwürdigerweise neue Kraft. Er seinerseits genoss jeden Moment, er stieß kräftig zu und wurde immer schneller. Er schwitzte nun heftig. Er befand sich nun in einem Rausch. In diesem Moment fühlte er sich glücklich. Dies war der Moment des Lebens der Flucht. Der Flucht vor allen Pflichten. Der Flucht vor den bevorstehenden Gefahren. Der Flucht aus dem Diesseits und der Eintritt ins Paradies.
Er musste dies tun. Irgendetwas in seinem Leben brauchte er, was diesem einen Sinn gab. Irgendetwas, worauf er sich freuen konnte. Und es gab nichts Anderes für ihn, was ihm wahre Freude machen konnte, als die Liebe, die körperliche Liebe einer Frau, die Vereinigung seines Körpers mit dem ihren.
Nach dem Höhepunkt wurde er langsamer.
Fatima presste ihre Augen zu. Es war vorbei und es hatte sich nicht besser als mit dem Alten angefühlt. Sie hatte sich früher schon selbst gefragt, wie es denn wohl mit einem jungen Mann wäre. Nun wusste sie, es war nichts Besonderes. Sie öffnete ihre Augen und wurde nervös. Sie hob ihren linken Arm an und erhob sich. Sie saß nun aufrecht. Muhammad lag auf dem Rücken, mit geschlossenen Augen. Mit einem verächtlichen Blick schaute sie ihn. Dann schaute sie wieder geradeaus, drückte die Innenflächen ihrer Hände gegen ihre Augen und schrie. Sie schrie so laut wie noch nie in ihrem ganzen Leben.
In Dijabakir gab es ein römisches Badehaus, was eine Seltenheit in dieser Region war. Die Osmanen, vor allem die Angehörigen der Oberschicht, pflegten stets, diese Bäder zu besuchen, sich zu reinigen, zu erholen und sich mit ihren engsten Freunden und Bekannten zu unterhalten oder sich zu beraten. Diese Lebensweise, übernommen von den Byzantinern, konnten die Türken den Kurden nicht aufzwingen. Die Bäder waren schlecht besucht, doch wurden sie gut instandgehalten. Die finanziellen Mittel hierfür stellte die
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