Liebe und Völkermord
echt an. Nun war er wieder in der Realität. Melancholisch öffnete er seine Augen. Er sah wie ein schläfriger Mann aus. Gegenüber von ihm saß der Generalmajor, umhüllt von einem weißen Tuch. Der alte Herr grinste ihn an. Johann zwinkerte und presste dann wieder seine Augen zu und öffnete sie dann wieder, bis er wieder klar sehen konnte. In seiner linken Hand hielt er immer noch den Schlauch. Er zögerte, noch einen Zug zu nehmen.
„Nein, Johann, das genügt erst einmal! Leg den Schlauch zur Seite.“
Der Junge gehorchte.
„Das war dein erstes Mal.“
Sein Herr war ein Raucher seit vielen, vielen Jahren, das wusste er. Egal, was für ein Zeug es gewesen war, dachte er, er musste es wohl schon öfters eingenommen haben und sich an die Wirkung dessen gewöhnt haben. Nun fragte er sich, ob der Herr Generalmajor bisweilen nicht ganz klar bei Verstand war. War dies etwa der Grund für seine Grausamkeit? War dies etwa der Stiller seines Gewissens? Er erkannte die Gefährlichkeit dieses Stoffes. Er wollte es nicht mehr einnehmen.
„Das ist Haschisch, mein Freund. Die Männer in dieser Gegend nehmen es schon seit Jahrhunderten ein, vor allem die Soldaten vor der bevorstehenden Schlacht. Es gibt einem Kraft und es hemmt die Emotionen. So können sie skrupellos töten. Die berühmten Attentäter des Sultans, die ohne Identität, nehmen es regelmäßig ein, weswegen sie danach benannt worden sind, nämlich Assassinen.“
Dem jungen Soldaten leuchteten nun einige Dinge ein. Seine Prinzipien verboten ihm, diesen Stoff einzunehmen. Er wollte keine Verbrechen begehen. Dies konnte er also nur garantieren, wenn er diesen Stoff nicht einnahm. Doch nun stand sein Gewissen in Opposition zu seiner Pflicht gegenüber seinem Offizier und seinem Kaiser.
„Für das, was uns bevorsteht, werden wir viel von diesem Stoff benötigen. Ich werde dir später etwas davon geben. Du musst es nehmen. Du bist noch jung. Wir müssen das erledigen, da führt kein Weg dran vorbei! Zum Wohle und für die glorreiche Zukunft unseres geliebten deutschen Reiches!“
Nein, zum Mörder von Kindern und Frauen wollte er nicht werden. Diese Befehle wollte er verweigern. Wie der Generalmajor in diesem Fall reagieren würde, darüber wagte der Junge nicht nachzudenken. Er nickte nur.
Sturm legte sich auf den Rücken hin. Er starrte auf die weiße Decke des Raumes. Es schien, als träumte er mit offenen Augen. Doch er war mit seinem Geist noch anwesend. „Diese Frau, Fatima, eine Sklavin im Harem des Ali Pascha, habe ich dir schon von ihr erzählt?“
„ Ja, mein Herr.“
„ Sie ist ein gutes Mädchen. Ich habe noch nie solch ein gutes orientalisches Mädchen gesehen. Nie im Leben hatte ich es für möglich gehalten, mich noch einmal in eine Frau zu verlieben.“
„ Liebt Ihr sie?“
„ Ich weiß es nicht, ob es Liebe ist oder nur Lust, oder doch eher Mitleid für ihre elendige Lage. Welten liegen zwischen uns, doch ich hatte das Gefühl, als spiele das alles keine Rolle. Sie war mit mir vereint, sie wurde ein Teil von mir. Ich würde sogar behaupten, nicht einmal mal meine selige Frau hatte es vollbringen können, solche wunderbaren und unvergesslichen Gefühle in mir zu wecken.“
Johann wollte keine dummen Fragen stellen, er fürchtete sich vor dem Zorn des Generalmajors. Und er musste an seine Karriere denken. Doch der Neugier wegen konnte er nicht mehr innehalten. „Verzeiht mir, mein Herr, aber sie ist doch eine Sklavin.“
„Ja, weil sie Christin ist. Sie ist gegen ihren Willen dort. Dieser verfluchte Ali Pascha, diese verfluchten Moslems! Die Lage ist so kompliziert. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“
Der Junge konnte zum ersten Mal die Verzweiflung in den Augen seines Vorgesetzten sehen. Dieser Augenblick war sehr merkwürdig für ihn, hatte er doch den Generalmajor nur oberflächlich gekannt, als Offizier, und seine menschliche Seite nicht gesehen. Er empfand Mitleid für diesen alten Mann. „Vielleicht kann ich Euch helfen.“
„Wie willst du mir denn helfen? Willst du sie entführen? Daran habe ich schon gedacht. Doch es ist zu gefährlich. Wenn der Pascha seine Häscher losschickt oder seine Späher herausfinden, wo sie ist, wird er uns als Verräter brandmarken. Und dann, ich weiß nicht, was er dann mit uns tun würde. Nein, das ist zu riskant und zu gefährlich.“
Johann dachte nach, der Generalmajor hatte recht. Eine Alternative fiel ihm nicht ein.
Heinz erhob sich und saß nun in der Position wie zuvor. Er
Weitere Kostenlose Bücher