Liebe Unerwuenscht
Anzüglichkeit war aus ihrem Mund gekommen. War es so einfach für sie? Gewollt, bekommen, danke, die nächste bitte.
»Caroline?« Jennifers Ton klang jetzt drängend.
»Also gut. Morgen Abend.«
»Ich hole dich ab. Sieben Uhr?«
Caroline nickte automatisch. Jennifer ging und ließ Caroline mit dem Gefühl zurück, dieser Frau nichts abschlagen zu können.
9.
J ennifer lenkte ihren Wagen durch den abendlichen Verkehr. Als sie in den Außenbezirk kam, in dem Caroline wohnte, fühlte sie ihr Herz ungewöhnlich schnell schlagen. Sie hatte Caroline gegenüber so getan, als wäre das Abendessen nur Kulisse für ein berufliches Gespräch zwischen ihnen. Doch die freudige Erwartung, die sie spürte, belehrte sie eines Besseren.
Die Nacht mit Caroline ging ihr nicht aus dem Kopf. Genauer gesagt, deren seltsames Verhalten am Morgen danach. Warum wollte Caroline, dass sie einander nicht wiedersahen? Das war doch kindisch. Und völlig übertrieben. Sie hatten eine so schöne Nacht miteinander verbracht. Jennifer fühlte bei dem Gedanken daran immer noch den rasenden Puls und das Rauschen in ihren Ohren, beides Vorboten der Leidenschaft – die sie aus Rücksicht auf Caroline unter Kontrolle hielt. Wann hatte sie das jemals getan? Sich zurückgenommen? Aus Vorsicht, um die andere nicht zu erschrecken.
Nie. Dabei gab es einige Frauen, die Caroline ähnlich gewesen waren. Zurückhaltende, sanfte Frauen, die sie mit ihrem Ungestüm überfallen und damit förmlich unter sich begraben hatte. Wohl nicht immer zum gegenseitigen Vergnügen, auch wenn keine der Frauen sich beschwert hatte.
Der Gedanke kam Jennifer urplötzlich und erschreckte sie. Bisher hatte sie nie darüber nachgedacht. Wäre nie auf die Idee gekommen, ihre Art zu hinterfragen. Warum es bei Caroline anders war, wusste sie nicht zu sagen. Es war auch keine Frage, die sie sich gestellt hatte. Sollte sie sich zurücknehmen oder nicht? Sie tat es einfach. Und wurde mit einer völlig neuen Erfahrung dafür belohnt. Eine Erfahrung, die ihr Innerstes berührte. Zumindest für den Moment. Für diese eine Nacht. Und irgendwie auch darüber hinaus. Jennifer wusste sich nicht zu erklären, warum dieses Gefühl so anhaltend war. Es lag doch in der Natur der Sache: Eine Leidenschaft loderte auf, eine Leidenschaft erlosch. So war das nun mal. Oder?
Warum fühlte sie auch heute ihren Puls schneller schlagen, gerade jetzt auf dem Weg zu Caroline? Nein, kein Rauschen in den Ohren, aber eine beschwingende Vorfreude. Absurd! Und dennoch unbestreitbar.
Jennifer parkte den Wagen vor Carolines Haus, ging durch den Vorgarten und klingelte an der Tür.
»Verdammt, ich habe heute keine Blumen dabei. Jetzt sieht es so aus, als werde ich schon beim zweiten Date nachlässig«, sagte sie grinsend, als Caroline ihr die Tür öffnete.
»Ich dachte, das heutige Abendessen hätte nichts mit uns zu tun«, erwiderte Caroline.
»Aber das hast du doch nicht geglaubt?« fragte Jennifer augenzwinkernd.
Caroline stellte fest, dass Jennifer zu ihrer direkten Art zurückgefunden hatte. Merkwürdigerweise fühlte sie sich dadurch nicht unangenehm berührt. Dass Jennifer das Interesse an ihr nicht verloren hatte, oder doch zumindest so tat, gab Caroline Auftrieb. Sie wunderte sich darüber, aber es war so.
Nein, Caroline wollte sich nicht auf ein weiteres Abenteuer mit Jennifer einlassen. Ganz bestimmt nicht. Trotzdem fühlte sie sich besser, jetzt, da Jennifer ihr praktisch wieder den Hof machte.
Du bist dabei, dich in einen einzigen Widerspruch zu verwandeln, Caroline.
Caroline hob hilflos die Arme, ließ sie wieder sinken. »Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob ich es geglaubt habe. Ein Teil von mir wollte es, ein anderer nicht. Das ist ja mein Problem. Im Moment weiß ich nicht, was ich will.«
Jennifer schaute Caroline erstaunt an. Na, das sind doch mal interessante Neuigkeiten.
Der perfekte Moment, die Frau in den Arm zu nehmen und sie zu küssen. Damit sie gezeigt bekam, was sie will. Allerdings konnte ein solcher Vorstoß auch ins Gegenteil umschlagen. Nicht, dass Jennifer Angst hatte, sich eine einzufangen. Das wäre das geringste Übel. Caroline würde sie schon nicht gleich umhauen. Aber sie riskierte, dass Caroline sich in sich zurückzog. Und weil Jennifer die gerade wie durch ein Wunder erbaute Brücke zwischen ihnen nicht zum Einsturz bringen wollte, beschränkte sie sich auf eine laxe Erwiderung. »Ich habe schon viele Frauen getroffen, auf die das zutrifft, aber noch
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