Liebe Unerwuenscht
unter den Füssen fest ist, dann kann man den Arm ausstrecken und versuchen jemanden aus dem Fluss zu ziehen. Genau das ist unser Angebot, das Krankenhaus zu kaufen: Der Versuch, es den Fluten zu entreißen, es auf ein solides Fundament zu stellen. Je besser wir den Grund befestigen, je größer die Chance, dass das Fundament hält. Unser Angebot ist dieser Grund. Ich bitte dich, es dir anzusehen. Würdest du auf diesen Grund bauen?« Jennifer räusperte sich umständlich. »Natürlich werde ich dir deinen Zeitaufwand vergüten. Du bekommst ein Beraterhonorar. Und es ergibt sich von selbst, dass die Unterlagen streng vertraulich zu behandeln sind.«
Caroline hatte aufmerksam zugehört. War das Jennifers Lebensphilosophie? Ein reißender Fluss, der alles Schwache mit sich in das Chaos zog? Das Leben ein ständiger Kampf um einen Platz am sicheren Ufer, den es zu behaupten galt? Das erklärte so einiges. Ihre Stärke genauso wie ihre Grobheit, ohne die Jennifer nicht dort stünde, wo sie war. Ihren Stolz, sich dort zu behaupten. Ihren gelegentlichen Zynismus, hinter dem sie sich in Momenten der Schwäche versteckte. Ihre Affären, mit denen sie jeder menschlichen Nähe aus dem Weg ging, weil sie niemanden vertraute außer sich selbst.
Arme Jennifer.
Doch sofort wurde Caroline klar, dass Mitleid überflüssig war. Jennifer würde sie dafür auslachen. In Jennifers Augen war ihr Leben so, wie es war in allerbester Ordnung.
Besser wäre wohl: Arme Caroline. Denn dir muss klar sein, dass du in Jennifers Leben nie einen Platz einnehmen wirst. Egal wie nett oder gar sanft Jennifer gelegentlich zu dir ist. Es wird nie von Dauer sein.
»Du musst nicht gleich antworten. Denk darüber nach«, sagte Jennifer jetzt. Sie bemerkte Carolines abwesenden Blick. »Und es ist nur eine Bitte. Wenn du nein sagst, ist es absolut in Ordnung.«
Caroline nickte. »Ja, ich weiß.« Immer noch drückte sie die Erkenntnis nieder, dass Jennifer für sie unerreichbar war. Und immer sein würde.
Aber du wusstest doch vorher, dass Jennifer nur Affären hat. Genau deshalb hast du ihr gesagt, du willst den Kontakt zu ihr abbrechen.
Die Umstände verhinderten das aber. Und ganz automatisch hatte sich in Caroline die Hoffnung ausgebreitet, dass ihre Beziehung zu Jennifer sich irgendwie entwickeln würde. Irgendwie positiv. Hin zu einer gewissen Nähe.
Caroline war den Rest des Abends über sehr schweigsam. Jennifer glaubte, sie dächte über ihr Angebot nach. Deshalb forschte sie nicht weiter nach dem Grund.
Auf der Heimfahrt sprachen sie auch nur wenig miteinander. Erst, als Jennifer ihren Wagen vor Carolines Haus parkte, schien die wie aus einem Tagtraum zu erwachen, lächelte Jennifer entschuldigend an. »Danke für den Abend. Das Essen war sehr gut. Ich war leider nicht sehr gesprächig. Es lag nicht an dir. Du warst die perfekte Begleiterin. In der letzten Zeit habe ich einfach nur so viel um die Ohren . . .«
Weiter kam Caroline nicht. Jennifers Hand strich sanft ihr Gesicht, legte sich in ihren Nacken und zog Caroline zu sich. Sie fanden sich in einem innigen, zärtlichen Kuss.
Nach einer Weile löste Jennifer sich. »Das wollte ich schon den ganzen Abend tun«, sagte sie weich.
Caroline öffnete verwirrt die Wagentür. »Ich rufe dich an wegen des Angebots.« Damit stieg sie aus, ging eilig zur Haustür, schloss auf und betrat den Flur ihrer Wohnung. Ein letzter Blick zu Jennifer, die den Wagen bereits wieder gestartet hatte.
Bevor sie losfuhr, sah Jennifer noch einmal zum Haus. Ihre Blicke trafen sich. Jennifer lächelte.
Caroline senkte den Blick und schloss die Tür.
10.
C aroline ließ das aufwendige und sicher sehr teure Design der Eingangshalle auf sich wirken. Ja, sie war beeindruckt. Und genau das lag wohl auch in der Absicht der Firmengruppe, die hier ihren Sitz hatte. Die Feiler AG, an deren Spitze Jennifer stand. Das hier war also Jennifers »Reich«.
Die Dame an der Rezeption lächelte Caroline freundlich an. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich möchte zu Jennifer Feiler.«
»Haben Sie einen Termin?«
»Nein. Aber . . . es dauert auch nicht lange.«
Die Frau hinter dem Tresen tippte kurz auf der Tastatur eines Computers herum. »Frau Feiler ist in einer Besprechung mit einem Kunden.«
»Oh. Tja, na dann.« Caroline hatte auf dem Heimweg kurzerhand einen Abstecher gemacht. Ihre Entscheidung war gefallen. Sie würde sich dieses Angebot ansehen. Und ihre Meinung dazu abgeben. Wenn es wirklich etwas gab,
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