Liebe Unerwuenscht
machte. Im Gegenteil. Sie legte sich lähmend auf die Gemüter, verringerte die Leistungsfähigkeit, von der man gerade jetzt nichts einbüßen durfte.
Deshalb brachte Caroline so viel Optimismus in ihr Gesicht, wie ihr möglich war und grüßte freundlich nach rechts und links. Nur nichts anmerken lassen. Sich am besten nicht daran erinnern, dass sie eine der Befürworterinnen des Verkaufes vor wenigen Tagen in den Armen gehalten und geküsst hatte. Mit einem so intensiv verlangenden Gefühl, dass sie alles andere von sich weggeschoben hatte. Besonders, dass Jennifer sie nur verführen wollte. Es war eben passiert und nicht mehr zu ändern.
Bereust du es?
Diese Frage konnte Caroline sich beim besten Willen nicht beantworten. Sie ließ es dabei bewenden, dass die Antwort kein einfaches Ja oder Nein war, sondern irgend etwas dazwischen.
Caroline wusste aber um so sicherer, dass es besser war, ihre Beziehung zu Jennifer, oder wie immer man es nun bezeichnen wollte, vor den Kollegen auf jeden Fall zu verheimlichen. Doktor Reist hatte während ihres gestrigen Gespräches in der Kantine gewisse Anspielungen gemacht. Er hatte es nett formuliert, ohne Vorwurf, aber dennoch klar und deutlich, dass ihre Bekanntschaft zu Jennifer Feiler ihr nur zum Vorteil gereichen konnte. Doktor Reist war sicher nicht der einzige mit solchen Gedanken, und allein das würde ausreichen, Neider auf die Tagesordnung zu rufen. Sollten die näheren Umstände ihrer »Bekanntschaft« zu Jennifer bekannt werden, würde es zu mehr als nur Getuschel hinter ihrem Rücken kommen. Es konnte sogar soweit gehen, dass man sie schnitt. Oder noch schlimmer, versuchte sie zu sabotieren. In einer so angespannten Atmosphäre wie anstehende Entlassungen sie mit sich brachten, da reichten schon die kleinsten Gerüchte, wo jeder befürchtete, es könnte ihn treffen. Dann waren selbst Ärzte und Krankenschwestern nicht davor gefeit, zu unfairen Mitteln der »Verteidigung« zu greifen.
Wenn man Jennifer doch nur davon überzeugen könnte, dass die Privatisierung des Krankenhauses genauso viel Schaden wie Nutzen bringen konnte. Innovation allein führte nicht automatisch zu Wachstum. Es brauchte Menschen, die das Wachstum trugen. Und damit sie das taten, musste man ihnen die Sicherheit geben, dass die zu erwartenden Veränderungen die Anzahl der Stellen, zumindest für einen gewissen Zeitraum, nicht berührten. War das denn zuviel verlangt?
Caroline war in ihrem Büro angekommen, wo sie den Computer anschaltete und ihre Mails las. Eine davon war der Newsletter, der verkündete, dass sie alle ab dem 1.1. einen neuen Arbeitgeber haben würden. Nachdem der Stadtrat den Verkauf des Krankenhauses beschlossen hatte, würde über eine Ausschreibung der neue Eigentümer bestimmt werden. Was nicht in dem Newsletter stand, aber unvermeidbar war, bis dieser Eigentümer feststand, und sicher auch danach: Die Gerüchteküche würde brodeln, denn bekanntlich spekulierte es sich über nichts so gut wie über ungelegte Eier.
Ein Klopfen an der Tür ließ Caroline aufschauen. Jemand betrat das Büro. Mit größtem Erstaunen erkannte Caroline, dass dieser Jemand Jennifer war.
Ihre schlanke Gestalt wirkte wie gewohnt elegant, aber sie schien Caroline heute nicht so kühl, auch wenn Jennifer nach außen so wirkte. Das lag wohl daran, dass Caroline nun wusste, zu welcher Zärtlichkeit diese Frau fähig war.
»Weißt du es schon?« fragte Jennifer, ohne den von Caroline erwarteten Triumph in der Stimme.
»Ja«, sagte Caroline. Klang Jennifers Stimme nicht sogar eine Spur weich?
»Wie nehmen es die Leute auf?«
»Was glaubst du? Sie sind extrem verunsichert.«
»Wie nimmst du es auf?« konkretisierte Jennifer.
»Meine Begeisterung hält sich in Grenzen.«
»Wäre es ein Problem für dich, wenn meine Firma zur Käufergruppe gehörte? Du wärst dann sozusagen von mir abhängig.«
Caroline stand auf, ging um ihren Schreibtisch herum und lehnte sich gegen ihn. »Jeder ist von jedem irgendwie abhängig. Darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Ich halte mich für einen in seinen Entscheidungen freien Menschen, egal welchen Absender mein Gehaltszettel hat.«
Es könnte allerdings schwierig werden, Jennifer in Zukunft einfach aus dem Weg zu gehen, wenn es deren Name war.
Das Gefühl, das Caroline bei diesem Gedanken befiel, war zwiespältig. Ebenso zwiespältig wie jenes, das sie bei der Frage verspürte, ob sie die gemeinsame Nacht mit Jennifer bereute.
»Eine gute
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