Liebe Unerwuenscht
mich interessiert, wie Ärzte und Pflegepersonal über die bevorstehenden Veränderungen denken. Die Reaktionen sind ja, wie ich hörte, eher skeptisch.«
»Was angesichts der vorherrschenden Informationsleere niemanden verwundern kann. Es ist die Ungewissheit, die den Menschen am meisten zu schaffen macht. Das wissen Sie als Journalistin doch sicher.«
»Ja, das ist mir nicht neu. Aber mich wundert, dass Sie von Informationsleere sprechen. Als der Stadtrat den Verkauf des Krankenhauses beschloss, erschien gleich am nächsten Tag ein ausführlicher Artikel in der Zeitung, in dem die Interessen der Centrum Klinik AG erklärt wurden.«
»Nun, dann wissen wir ja schon mal, was einer der Haifische vorhat. Aber davon schwimmen ja wohl mehrere im Becken«, erwiderte Caroline ironisch.
Beatrice winkte ab. »Ich habe den Eindruck, es ist nur noch eine Formalität. Der Stadtrat wird das Angebot der Centrum Klinik AG, na sagen wir mal, mit größtem Wohlwollen prüfen.«
»Jennifer ist sich da wohl nicht so sicher. Sie bat mich immerhin, ihre Angebotsunterlagen zu prüfen. Und es schien mir nicht, dass das nur ein Vorwand war.«
»Sie meinen, es gibt andere Anbieter, die in Betracht kommen?« Beatrice’ Interesse war geweckt.
»Muss es wohl. Warum sonst sollte Jennifer mich dazu bringen wollen, Informationen beizutragen, die ihr unzugänglich waren. Sie dachte doch tatsächlich, ich würde mich als Spionin einspannen lassen.«
Carolines Verärgerung war unüberhörbar.
In Beatrice’ Kopf formte sich langsam ein Bild. Einmal darüber, was Caroline so gegen Jennifer aufbrachte, und zum anderen darüber, dass es wohl einen ernstzunehmenden Konkurrenten gab, der ebenso am Kauf des Krankenhauses interessiert war wie das Konsortium, dem Jennifers Firma angehörte. Beim Versuch, diesem Konkurrenten ein Schnippchen zu schlagen, hatte Jennifer sich bei Caroline mächtig in die Nesseln gesetzt. Deshalb war Caroline sichtbar schlecht auf Jennifer zu sprechen, und Jennifer – schien das tatsächlich etwas auszumachen. Na sieh mal einer an.
Eine nicht ganz uninteressante Frage, die sich Beatrice stellte, war: Fing Jennifer mit Caroline etwas an, um sie leichter benutzen zu können, oder wollte Jennifer Caroline benutzen, weil sie dachte, das wäre kein Problem, wo sie nun mal was mit ihr angefangen hatte?
Carolines Reaktion zeigte Beatrice, dass die Ärztin sich diese Frage wohl auch gestellt hatte. Und leider gab es, egal wie man es drehte und wendete, nur eine Erkenntnis: Benutzt wurde sie so oder so. Das kränkte die Ärztin verständlicherweise.
»Tja«, sagte Beatrice. »So ist Jennifer, leider. Ein Riesentrampeltier. Aber sie hat auch ihre guten Seiten. Sie werden sich daran gewöhnen.«
»Ich habe nicht die Absicht, mich an so was zu gewöhnen!« sagte Caroline steif. »Das habe ich Jennifer auch klargemacht.«
Falls Beatrice es nicht schon erraten hätte, bekam sie hier die Bestätigung. Jennifer war so übelgelaunt gewesen, weil Caroline ihr die Meinung gesagt hatte. Das ärgerte Jennifer. Aber das nicht allein. Wie es aussah, hatte es Jennifer auch – oh Wunder – getroffen. Nicht nur in ihrer Eitelkeit, sondern richtig, in ihrem Inneren. Da hatte Caroline etwas erreicht, was vor ihr, soweit Beatrice bekannt, noch keiner Frau gelungen war.
Sollte sie Caroline das sagen? So, wie die Ärztin im Augenblick drauf war, würde es kaum etwas nützen. Außerdem waren die beiden ja wohl alt genug, um ihr Problem allein in den Griff zu bekommen.
Beatrice hob bedauernd die Hände, stand auf und verabschiedete sich freundlich von Caroline. »Danke, dass Sie mir Ihre Zeit gewidmet haben.«
Sie verließ Caroline, machte einen Abstecher in die Kantine und sortierte ihre Notizen. Beatrice’ Interesse galt vor allem einem: dem Konkurrenzunternehmen. Wer war der andere Anbieter? Mit keinem Sterbenswort hatte Jennifer den erwähnt. Aber vor allem: Warum blieb dieser Konkurrent selbst bisher im Verborgenen? Hatte er denn kein Interesse daran, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren? Mit Versprechungen Sympathien zu sammeln, wie es alle taten?
Beatrice’ Instinkt sagte ihr, dass hier etwas nicht stimmte.
Sie nahm ihr Handy, drückte die Nummer des Chefredakteurs. »Ich brauche einen Termin beim Bürgermeister, heute noch, so schnell wie möglich. Kriegen Sie das hin?« Er versprach es.
Das Gespräch mit dem Verwaltungsdirektor vermittelte Beatrice den Eindruck, dass dieser, gewöhnt mit Zahlen zu rechnen, der
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