Liebe Unerwuenscht
Frey darüber aufklärte, warum sie dessen Bank übernehmen konnte, wer sie eigentlich auf die Idee gebracht hatte, hörte Frey ihr überhaupt zu. Die Tatsache, dass Rainer Birch, ehemaliger Kompagnon Freys, sich hatte auszahlen lassen und diese Information teuer an sie, Jennifer, verkauft hatte, war nämlich Auslöser des Ganzen gewesen. Sonst wäre sie doch nie auf die Idee gekommen, das Bankhaus Frey auf ihre »Wunschliste« zu setzen. Von Birch wusste Jennifer, dass Freys Kapitaldecke durch die Auszahlung dünn wie Papier war. Das ermöglichte Jennifer, deren Firmengruppe auch auf dem Finanzmarkt tätig war, mit den richtigen Konkurrenzangeboten das Bankhaus Frey innerhalb kürzester Zeit in arge Bedrängnis zu bringen. Sie tat es, und Frey blieb am Ende nichts übrig, als zu verkaufen.
Markus Frey hielt Birch bis zu dem Augenblick, da er von Jennifer die Zusammenhänge erfuhr, für seinen Freund. Er wollte Jennifer zunächst nicht glauben, aber die versorgte ihn mit weiteren Details, die Birch ihr überlassen hatte, und schließlich musste Frey einsehen: Birch hatte ihr Freys Unternehmen auf einem silbernen Tablett serviert. Hätte sie da nein sagen sollen? Birch wäre zu jemand anderem gegangen, und der hätte sich den Braten geschnappt.
Für diese Information ging Frey den Deal mit ihr ein. Kein billiger Deal. Aber das war Jennifer egal. Sie vereinbarten, dass Frey Corad falsche Daten verkaufte. Daten, die einen niedrigeren Angebotspreis auswiesen. Der Konkurrent würde sich etwas über diesen legen und sich damit in Sicherheit wiegen. In falscher Sicherheit.
Jennifer wusste, wenn sie Beatrice jetzt davon erzählte, würde die sie auf der Stelle lynchen. Beatrice reagierte sehr empfindlich auf Lügen, erst recht, da sie Jennifer ja ihr Versprechen abgenommen hatte.
Aber Jennifer wusste auch, sie konnte ebensowenig riskieren, dass Beatrice nach diesem Gespräch losging und in ihrer unbefriedigten Neugier bei Corad rumschnüffelte. Beatrice war Journalistin. Es war ihr Job, etwas zu finden, worüber es sich zu schreiben lohnte. Mit Corad hatte sie etwas gefunden. Beatrice zu sagen sie solle es lassen, soll nicht darüber schreiben, ohne ihr die Hintergründe zu erklären – das war aussichtslos.
Da hast du dich ja in was Schönes reinlaviert, Jennifer.
»Also gut«, gab sie sich geschlagen. »Hör zu. Ich weiß, was Corad anbieten wird. Ich sage dir aber gleich, es wird dir nicht gefallen, wenn du erfährst woher.«
Jennifer begann stockend zu erzählen. Von Sarah, dem eingeschleusten Computervirus, Freys Rolle in dem Spiel und schließlich von der Vereinbarung mit ihm.
Beatrice schüttelte fassungslos den Kopf. »Du warst an dem Abend bei Frey?« wiederholte sie immer wieder.
Jennifer beteuerte: »Als ich ging, war Frey quicklebendig!«
Um Beatrice’ Aufmerksamkeit von ihrer Lüge wegzulenken, zeichnete Jennifer mögliche Konsequenzen auf, für den Fall, Beatrice würde all dies, oder auch nur einen Bruchteil davon, in einem Artikel veröffentlichen.
»Wenn du die Corad AG in deinem Artikel erwähnst und sie damit zwingst, sich zu zeigen, ist nicht vorherzusehen, wie man dort reagiert. Sehr wahrscheinlich aber wird es zu einem Machtkampf zwischen Corad und Centrum Klinik kommen. Corad steht finanziell stärker da, denn dort plant man keine teuren Modernisierungsmaßnahmen. Da kann man leicht ein oder zwei Millionen im Angebotspreis drauflegen. Es gibt Leute im Stadtrat, die bei der Vergabe von Projekten nur auf den Preis sehen. Nicht gerade wenig Leute. Wenn du Corad in das Interesse der Öffentlichkeit rückst, könnte dies das Ende für das Krankenhaus bedeuten.«
Jennifer brach ab. Eine Pause entstand.
»Beatrice?« fragte Jennifer nach einer Weile atemlos. »Was wirst du tun?«
Beatrice tat sich immer noch schwer, die Flut an Neuigkeiten zu verarbeiten. Sie kannte Jennifer und wusste, glaubte zu wissen, dass sie manchmal zwar eine rücksichtslose, aber immer eine ehrliche Frau war. Die dich belogen hat, als sie ein Alibi brauchte. Wie weit konnte sie Jennifer also glauben?
Zumindest, das bestätigte Beatrice’ Gespräch mit dem Bürgermeister, dass Corad ein ernstzunehmender Konkurrent im Tauziehen um das Krankenhaus war. Und dass Corad sich schon mehrmals dadurch hervorgetan hatte, kleine Kliniken zu kaufen und zu schließen.
Beatrice schaute Jennifer eindringlich an. »Gut«, sagte sie. »Ich werde Corad nicht erwähnen.« Sie machte eine Pause. Atmete tief durch. »Aber wir beide
Weitere Kostenlose Bücher