Liebe Unerwuenscht
nicht«, wies Jennifer den Vorwurf von sich. »Ich bin lediglich der Überzeugung, dass man sich von diesen Gefühlen nicht zu sehr leiten lassen darf. Sie sind eine viel zu unzuverlässige Größe, um wichtige Entscheidungen daran festzumachen.«
Caroline wiegte vage ihren Kopf hin und her. »Man kann es auch anders sehen.«
»Wie?«
»Manche Entscheidungen sind nur dazu da, von Gefühlen getroffen zu werden.«
Jennifer dachte kurz nach. »Zum Beispiel?« fragte sie dann.
»Zum Beispiel die Entscheidung, sich auf einen bestimmten Menschen einzulassen.«
»Ja?« Jennifer hob skeptisch die Augenbrauen hoch. »Glaubst du?« Wie immer, wenn Jennifer sich mit solchen Aussagen Carolines konfrontiert sah, hatte ihre Stimme einen spöttischen Klang.
»Allerdings. Und deine Ironie ändert daran nichts.«
»Ironie? Ich nenne es Realismus. Denn wohin führen diese Gefühlsentscheidungen letztendlich? Doch zu nichts weiter als millionenfachen Reinfall. Was eine Scheidungsrate von rund fünfzig Prozent sehr deutlich belegt.«
Caroline nickte schon, während Jennifer noch sprach. »Ich ahnte, dass du damit kommst. Ein sehr beliebtes Argument eingeschworener Beziehungsgegner. Schwer gegen anzukommen.«
»Du gibst es also selbst zu!«
»Was?«
»Dass das mit der Liebe nicht funktioniert.«
»Nein. Im Gegenteil. Ich denke, es kommt immer darauf an, welche Erwartungen man hat. Und was man bereit ist zu investieren. Es kann funktionieren. Die anderen fünfzig Prozent zeigen es ja.«
Jennifer nahm einen Schluck von ihrem Wein. »Du meinst, man soll seine Erwartungen herunterschrauben, dann wird man nicht so schnell enttäuscht?« fragte sie. »Das ist aber keine Alternative für mich. Ich gebe mich nie mit weniger zufrieden.«
»Da irrst du aber gewaltig«, widersprach Caroline. »Du tust es schon. Du gibst dich nicht nur mit weniger zufrieden, du verzichtest gleich ganz. In dem du einfach leugnest, dass auch du bestimmte Sehnsüchte hast. Den Wunsch nach Nähe zum Beispiel.«
Carolines Worte begannen Jennifer zu verunsichern. Deren »Beweisführung« enthielt unbestreitbar eine ebenso stichhaltige Logik wie ihre eigene. Nur führte sie zu einer ganz anderen Interpretation. Jennifer schwieg verwirrt.
Caroline schmunzelte. Jennifer schienen für den Moment die Argumente ausgegangen zu sein.
Jennifer räusperte sich. »Ich . . . ich bin müde. Ich glaube, ich gehe ins Bett.«
»Eine gute Idee.« Caroline erhob sich aus ihrem Sessel. »Wir starten ja morgen zeitig.«
Jennifer stand ebenfalls auf. Sie verließen die Bar.
Ihre Zimmer lagen in einem der Nebenhäuser der Hotelanlage. Der Weg führte vorbei am Pool, einem schmalen Pfad unter Dattelpalmen entlang, die am Tag angenehmen Schatten spendeten, jetzt, in der Dunkelheit des Abends, allerdings etwas bedrohlich wirkten.
Jennifer, die etwas vor Caroline ging, blieb plötzlich stehen. Gerade wollte Caroline fragen, was los sei, da fühlte sie Jennifers Arme um sich, deren Lippen auf den ihren und Jennifers Finger sanft ihren Nacken streicheln.
»Wenn es legitim ist, Gefühle über sich bestimmen zu lassen . . .«, flüsterte Jennifer in Carolines Ohr. ». . . dann auch dieses Verlangen nach Nähe.«
Caroline ließ sich von Jennifers Kuss zunächst nur führen. Dann änderte sich ihre Reaktion. Sie erwiderte Jennifers Kuss ungewohnt spielerisch, ging schließlich in ein heftiges Fordern über. Als Jennifer sich lösen wollte, ließ Caroline das nicht zu, hielt Jennifer fest, küsste sie erneut. Erst eine ganze Weile später gab sie Jennifer frei, nicht ohne vorher noch einmal mit Nachdruck ihre Lippen auf Jennifers zu pressen.
Verwundert sah Jennifer Caroline an. »Was war das denn?« Sie hatte eigentlich erwartet, Caroline würde auf diesen Überfall distanziert reagieren. Wie sie es immer tat. Zumindest im Nachhinein. Statt dessen entwickelte Caroline eine ungeahnte Leidenschaft und blickte sie jetzt verschmitzt schmunzelnd, wenn nicht sogar frech an. Das war verdammt irritierend.
»Nichts«, sagte Caroline. »Warum?«
»Du bist sonst nie so – locker, wenn ich . . . wir . . . uns küssen. Normalerweise wird hinterher eine Staatsaffäre draus. Und plötzlich . . .« Jennifer kannte sich nicht mehr aus. Was war nur in Caroline gefahren? Der Wein konnte es kaum sein. So viel hatte sie nicht getrunken.
»Ich genieße einfach mal, was mir geboten wird«, erklärte Caroline leichthin. »Ist das nicht genau das, was du immer referierst?«
»Ja
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