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Liebe unter Fischen

Liebe unter Fischen

Titel: Liebe unter Fischen
Autoren: Rene Freund
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bekommen oder ich von Ihnen, dann halten wir ja tatsächlich ein Stück des anderen in der Hand. Zunächst einmal inhaltlich, durch die Worte. Dann formal, durch die Auswahl des Papiers, welche bei mir freilich wenig Variation zulässt, und durch das Schriftbild! Man muss kein Graphologe sein, um aus den Schriftzügen eines anderen eine ganze Menge herauslesen zu können. Außerdem glaube ich, Spuren von DNA oder so kleine Duftpartikel des anderen finden sich auf den Briefen. Wenn es für die Spurensicherung der Polizei wichtig ist, warum sollte es für unsere Verbindung nicht wichtig sein? Nur weil wir die Spuren nicht sehen? Denken Sie an einen der Größten, denken Sie an Matthias Claudius und sein Abendlied – » Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen, und ist doch rund und schön !«
    Mein Gott, liebe Susanne, wie armselig ist doch unsere elektronische Welt geworden! Sie werden sagen, jaja, ist schon gut, schwärme nur weiter, Dichter, und ich gebe zu, ich selbst hätte nie geglaubt, wie fundamental anders das Leben ist – das Leben nach ein paar Tagen ohne Strom, ohne Geräte, ohne Fernseher, Radio, Handy, Computer. Sie kennen das sicher, es ist ja Ihre Hütte! Der ganze Lärm ist plötzlich weg, das permanente Gequatsche, der sich in den Vordergrund drängende Unsinn, mit dem wir unsere Tage einlullen, anfüllen, zumüllen. Wenn das alles verschwindet, ist es plötzlich still! Ich fühle mich in Kontakt. Verstehen Sie? In Kontakt mit allem. Sogar mit mir!!

8 . Juli

    Die Sonne sinkt hinter den Berg.
    Wasser gekräuselt.
    Bäume, bewegt von Wind.

9 . Juli

    Es ist heiß. Wann kommt August wieder?
    Ich weiß es nicht.
    Sitze am Steg und schaue. Manchmal mit geschlossenen Augen.
    War viel schwimmen, unter den Fischen.

11 . Juli

    Vielleicht hören Sie das als meine Verlegerin nicht gerne, aber ich habe immer mehr folgendes Gefühl: Das, was mich am meisten daran hindert, in der Glückseligkeit des Seins aufzugehen, sind Worte.
    Als heute zum Beispiel die Sonne unterging, dachte ich, oh, wie schön das ist, und dann beginne ich, den heutigen Sonnenuntergang mit dem gestrigen zu vergleichen, welcher zauberte mehr Rot auf die Bergspitzen, und dann denke ich, wie wird das Wetter wohl morgen werden, und der Sonnenuntergang morgen, überhaupt, Sonnenuntergänge erinnern mich so an die Zeit mit Sibylle in der Toskana, wäre auch nicht schlecht, wenn Sibylle jetzt hier wäre, oder Anna, und wie war das mit Charlotte … Und ist ein Gedanke weg, kommt schon der nächste. Ein ewiges Rad, an das wir uns selbst schlagen! Ist doch Wahnsinn, womit einen Worte die ganze Zeit quälen! Wir dürfen keine Namen geben. Damit beginnt der Irrweg. Schon mit der Benennung. Es geht nicht um die Benennung, nicht um die Bezeichnung. Nicht einmal um das Bezeichnete!!!

12 . Juli

    Ich bin. Hier. Ich kann keine Worte mehr verwenden. Ich muss keine Worte mehr verwenden. Das, was ich erlebe, kann ich mit Worten nicht beschreiben. Es ist die vollkommene Präsenz. Oder, als Schriftsteller zu reden: der perfekte Präsens. Ich sehe Wolken, aber ich denke nicht Wolken. Sie sind nicht außerhalb von mir. Sie sind nicht getrennt von mir. Die einzige Wirklichkeit ist mystisch. Diese Erkenntnis stand plötzlich in kristalliner Klarheit vor mir.
    August kommt! Er hat einen Brief!

    Berlin, am 8 . Juli
    Lieber Herr Firneis!
    Da ich durch einen postalischen Zufall oder wegen der Verzögerung durch das Wochenende Ihre Briefe alle auf einmal erhalten habe, werde ich Ihnen sozusagen gesammelt antworten. Wie Sie wissen, bin ich nicht wahnsinnig systematisch, was ich durch systematisch aussehende Listen zu vertuschen versuche. Ich schreibe Ihnen außerdem mit der Maschine, also dem apple, damit Sie bei der Schrift-Entzifferung nicht dieselbe Mühe haben wie ich.
    Also:
    1 ) Ich erkenne Sie nicht wieder.
    2 ) Ich bin froh, dass Sie noch oder wieder leben. Die Gesamtausgabe werde ich dennoch erst in Druck geben, wenn Ihr Gesamtwerk in meinem Verlag den Umfang von drei Bänden überschreitet. Also schicken Sie mir bitte bald den nächsten.
    3 ) Charlotte habe ich natürlich kein Sterbenswörtchen gesagt. Ich sehe sie auch bloß im Fernsehen, in den Kinder-Nachrichten. Sie hat eine neue Kurzhaarfrisur und sieht sehr sehr niedlich aus.
    4 ) Benno habe ich gestern in der Burger-Bar getroffen. Er zeigte sich bewegt, den Mercedes nach Ihrem Ableben zu bekommen, und wird sich diesbezüglich bei Ihnen melden.
    5 ) Was haben Sie mit August gekostet
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