Liebe unter Fischen
kennengelernt und nach einer durchzechten Nacht in Hamburg geheiratet hatte, nur zum Spaß und natürlich, um die Eltern zu ärgern. Als sie nach Berlin gezogen war und den Verlag gegründet hatte, war ihr die Scheidung vernünftig erschienen, sicherheitshalber. Beckmann interessierte sich inzwischen ohnehin nur noch für Männer. Bei der Scheidung samt anschließender Party hatten sie genauso viel Spaß wie bei der Hochzeit. Susanne stammte ursprünglich aus Landshut in Niederbayern. Ihre Mutter war die Tochter eines großen, in der Wahrnehmung des kleinen Mädchens weltberühmten Zwiebackfabrikanten. Susannes Vater, Hellmuth Prinz, ein fleißiger Stuttgarter, hatte in die Industriellenfamilie eingeheiratet. Obwohl man dort lieber einen echten Prinzen gesehen hätte, hatte sich Prinz als ungeheuer geschäftstüchtig erwiesen. Er übernahm die Backwarenfabrik und baute sie aus.
Susanne (das » Susi« hatte sie sich schon als Kind verbeten) und ihr Bruder Hellmuth (genannt Helli oder Hellmuth der Zweite) waren praktisch ohne Vater aufgewachsen. Entweder er war im Büro, oder auf Geschäftsreise, oder in der Hütte. Er hatte damals die gesamte Jagd gepachtet, so etwas findet man in ganz Bayern nicht, hatte er immer gesagt. Geblieben war eine Sammlung makabrer Trophäen an den Wänden des Anwesens in Landshut – und die Hütte.
» Und wie geht’s dem Helli? Dem jungen Prinz ?« , wollte der Bauleiter von Alfred wissen. Fred erzählte, was er wusste: Dass Susannes Bruder die Firma übernommen hatte, dass er nach einer Krankheit Buddhist geworden war, dass er nun hauptsächlich meditierte und nur mehr nebenbei arbeitete. Also ganz wie der Vater, nur eben Yoga statt Jagd. Leider ginge die Firma nicht mehr sehr gut, was man so höre.
» Eine Tragödie«, befand der Bauleiter. Auch, dass die Hütte so wenig genutzt wurde, obwohl Hellmuth Prinz senior für die Erlaubnis zu deren Errichtung und noch mehr für die Bewilligung des Straßenbaus nach österreichischer Sitte einige Politiker und Beamte bestochen hatte. » Bis hinein ins Ministerium nach Wien«, fügte der Bauleiter anerkennend hinzu. » Und das als Deutscher! Aber ich hab nichts gesagt .« Bis vor kurzem sei alle Jahre wieder die Ministerin aus der Hauptstadt gekommen, um ihr Gamserl oder einen Hirsch zu schießen. Der alte Prinz habe sich rührend um sie gekümmert. Die Ministerin sei … » Na ja, ich weiß nicht, ob sie sehr gescheit ist … also wenn man jemanden sieht, der versucht, den Klettverschluss auf seinem Schuh zu einer Masche zu binden, dann ist das die Ministerin. Aber ich hab nichts gesagt .«
Fred wollte gerne wieder zur Hütte zurück, weil ihn das alles gar nicht so sehr interessierte. Aber der gesprächige Mann wurde nicht müde zu beteuern, wie schade es wäre, dass der alte Prinz nun nicht mehr sei. Er habe aber immer noch Freunde, Freunde bis ganz oben, denn anders wäre es gar nicht zu erklären, dass nun mit fünf Maschinen und zwanzig Mann auf Kosten des Wildwasserschutzprogramms eine Straße wieder errichtet würde, die im Prinzip kein Mensch brauche. » Aber ich hab nichts gesagt .«
Bevor der Bauleiter noch öfter nichts sagen würde, verabschiedete sich Fred schnell. » Wir sind noch heute fertig !« , rief ihm der Mann nach, » dann können Sie hier weg. Wenn Sie wollen .« Fred wandte sich um und antwortete: » Ich hab nichts gesagt .«
Als er zur Hütte zurückkehrte, suchte er als erstes seinen Autoschlüssel. Er musste jetzt wissen, ob der Benz startklar war. Der Motor sprang sofort an. In ein paar Stunden konnte Fred weg.
Er setzte sich auf den Steg. Die Sonne wärmte ihn gnädig. Ruhig lag der See vor ihm. Das Schilf wiegte leise hin und her, auch Fred wiegte sich leise hin und her, Wärme strömte durch sein Herz und süße Wehmut stieg in ihm auf. Es war hier so schön gewesen!
Plötzlich fiel ihm wieder ein: Er musste ja nicht wegfahren. Er bildete sich gerne irgendwelche Gefühle ein, vor allem schmerzhafte. Warum bloß? Wann hatte er die Trennwand zwischen sich, der Welt und seinen Gefühlen aufgestellt? Damals, als sich der Vater verabschiedet hatte?
Solange er zurückdenken konnte, hatte Fred sich als » Scheidungskind« empfunden.
Während er jene Mitschüler beneidete, deren Väter sich Autos leisten konnten, wurde er von seinen pubertären Kameraden beneidet, weil er keinen Vater hatte, mit dem er streiten musste. Das musste er tatsächlich nicht, denn sein Vater war in Berlin, machte dort irgendwelche
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