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Liebe unter Fischen

Liebe unter Fischen

Titel: Liebe unter Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rene Freund
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umspielte uns. Ich erreichte den Gipfel kurz nach August, sah zuerst seine kantigen Waden, seine Lederhose, schließlich den ganzen, prächtigen Menschen, wie er aufrecht über allem stand, während ich leicht gebeugt und vollkommen durchgeschwitzt nach Atem rang. August sagte nichts. Als ich mich ebenfalls aufrichtete, sah ich die ganze Welt vor mir. Oder zumindest die ganzen Alpen. Berge und Täler, Wälder und Felder, Flüsse und Seen, und Gipfel, Gipfel, Gipfel, vom ewigen Eise bedeckt, runde, breite, spitze. Berge! Berge, so weit das Auge reichte, und es reichte weit, so weit, dass ich die Krümmung der Erde wahrzunehmen vermeinte.
    August stieß plötzlich einen Juchitzer aus. Verstehen Sie » Juchitzer«? Eine Art Urschrei, Almschrei, Ausdruck der Freude, ein Laut, der den Körper von der Sohle bis über den Kopf hinaus vibrieren lässt, ein Ton, der sich über die ganze Welt ausbreitet, dessen Schwingungen noch im fernen Indien zu vernehmen sind, wenn jemand nur still genug zuhört. Und die Farbe des Juchitzers – die innere Farbe – sie ist erst rot, dann orange, gesprenkelt, ineinander verschwimmend, wie eine herrliche Rose, so fühlt sich das an.
    Ju-hu-hu-hu – hu.
    Okay, ich gebe zu, aufgeschrieben wirkt es albern.
    Mir jedenfalls, mir lief die Gänsehaut über den Rücken, sie hörte gar nicht mehr auf, ein Schauer nach dem anderen ließ mich erzittern.
    Entschuldigen Sie bitte, ich werde schwülstig wie einer, der im 19 . Jahrhundert lebt. Über meine eigenen Versuche möchte ich den Mantel des Schweigens breiten. » Das kann jeder. Fang einmal an, Dichter. Ju-hu-hu !« , hat August gesagt, aber so leicht war es dann doch nicht. Als ich meine krächzenden Laute aus der Kehle ließ, tauchten plötzlich ein paar Bergdohlen auf, wahrscheinlich, um nachzusehen, ob irgendwo ein verletzter Artgenosse herumlag.
    Doch das Juchzen stellte nur die Vorbereitung dar. August wollte mir einen echten Jodler beibringen, den wir zusammen singen konnten. » Wichtig ist mir vor allem die Texttreue, verstanden, Dichter ?« , sagte er, um mir dann in größter Ernsthaftigkeit vorzusprechen: » Hul-jo-i-diri-di-ri, hol-la-rai-ho-i-ri«, und ich sprach ihm zunächst nach und dann sang ich ihm nach und am Ende sangen wir zu zweit. Ich musste aufrecht und gleichzeitig locker stehen, das allein ist für mich schon so schwer wie ein doppelter Salto, zumal ich nebenbei noch atmen und die Zunge entspannen sollte. Ich glaube, ich sah so richtig bescheuert aus. Aber es machte Freude, solche Freude, die ersten eigenen Jodeltöne in die Welt zu schicken. Die Wirbelsäule vibriert dabei, hat August erklärt: » Wenn du’s hier schwingen spürst, dann ist es recht. Da, genau zwischen den Schulterblättern. Dort, wo bei den Engerln die Flügel angewachsen sind. Der Jodler kommt aus der Mitte. Es ist ein Ruf aus der Tiefe des Herzens .« August zeigte eine unglaubliche Virtuosität darin, die Oberstimme zu singen, eine Terz oder eine Quint höher, wie er mir erklärte, und wenn er mit mir gemeinsam sang, dann klang es auch einigermaßen schön. Eigentlich herzzerreißend schön. » Hul-jo-i-diri-di-ri, hol-la-rai-ho-i-ri !«
    Ich will mich nun ein wenig an den See setzen, zu lauschen, ob ich in der Erinnerung noch ein fernes Echo des Tons vernehmen kann. Wissen Sie, wie man hier dazu sagt? » Zulosn«. Hinhören. Ich glaube, das Wort zulassen kommt daher. Zulassen bedeutet nicht, etwas geschlossen zu lassen (einen Sack zum Beispiel), das widerspricht dem Wortsinn. Zulassen kommt von zulosn. Zulauschen. HÖREN .
    August kommt zurück, ich werde ihm den Brief mitgeben. Er hatte im Wald zu tun. Er baut eine Wildfütterung für den Winter. Ich freue mich, wenn Sie mir ein paar Zeilen schreiben. Sie wissen ja, wo ich bin.
    Ich grüße Sie
    Fred

7 . Juli

    Liebe Susanne,
    nach drei Tagen in der Stille und Einsamkeit wäre ich nun um ein Haar bitter geworden, weil Sie mir nie geantwortet haben. Nun weiß ich ja weder, ob August die Briefe aufgegeben hat, noch, ob es so etwas wie eine international tätige Post nach wie vor existiert, noch, ob Sie mir überhaupt antworten wollen. Und auch rein theoretisch wäre eine Antwort Ihrerseits wohl zeitlich nicht möglich. So habe ich meinen Anflug von Groll sofort wieder vergessen und will stattdessen den natürlichen Vorgang des Briefeschreibens mit Bleistift auf Papier lobpreisen, welcher sich in dem organisch gewachsenen Rhythmus der postalischen Dienste abspielt. Und wenn Sie einen Brief von mir

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