Liebe unter Fischen
sie sich auf die Rückbank legte. Aisha thronte auf dem Beifahrersitz und schien stolz, endlich einmal in einem richtigen Auto fahren zu dürfen.
» Ich fahre Passau–Regensburg ?«
Lisi antwortete nicht, sie war in Gedanken versunken.
» Hallo. Mara !«
» Mara«, das ging ihr durch und durch.
» Ich bin gekauft«, sagte sie.
» Das verstehe ich nicht«, sagte August.
» Bist du echt ?« , fragte sie.
Nach einer Pause antwortete er: » Echter geht fast nicht .« Und dann mussten sie beide lachen, überdreht und hysterisch.
Aber irgendwann schaffte Lisi es dann doch, ihre Geschichte loszuwerden.
» Ihr macht’s Sachen«, sagte August, » das glaubt man ja gar nicht. Armer Fred. Aber der ist ja genauso kompliziert .«
Lisi seufzte. Ihr Geständnis hatte sie sowohl erleichtert als auch ermüdet.
» Stört es dich, wenn ich ein bisschen schlafe ?«
» Schlaf nur .«
Als der Sprit auszugehen drohte, schlief Lisi immer noch. August fuhr bei einer Raststätte ab. Als er den Motor abstellte, wachte Lisi auf.
» Wo sind wir ?«
» Hof .«
» Wie spät ist es ?«
» Zwei .«
» Warum sind wir in Hof ?«
» Über Hof ist kürzer, hat das Navi auf meinem Handy gesagt .«
» Danke .«
» Wie geht’s ?«
» Keine Ahnung .«
Als sie aus dem Auto kroch, wusste Lisi: Nicht besonders gut. Ihre Glieder fühlten sich wie gelähmt an. Der Kreislauf stockte. Sie musste sich am Autodach festhalten, weil ihr schwarz vor den Augen wurde. August tankte. Sie tranken Espresso und kauften zwei Dosen Energy-Drink. » Davon wird mir immer schlecht«, sagte August, » das hält auch wach .«
Sie drehten eine kleine Runde mit Aisha und gaben der Hündin zu trinken.
» Ich fahre weiter«, sagte Lisi.
» Ist mir recht«, gähnte August. Kaum hatte er auf dem Beifahrersitz Platz genommen, schlief er ein. Doch er schlief nicht lange. Nach einer halben Stunde streckte er sich. » Geht wieder. Soll ich fahren ?«
» Was soll ich ihm sagen ?« , fragte Lisi, ohne darauf einzugehen.
» Ist doch egal. Erzähl ihm alles, was du gerade mir erzählt hast, und aus .«
» Mit dir ist immer alles so einfach, August .«
» Ich weiß auch nicht, warum es alle so gerne kompliziert haben .«
» Ich kann ihm unmöglich unter die Augen treten .«
» Aber ja, ich helfe dir dabei, dann geht’s schon .«
» Bitte nicht !«
» Glaubst du jetzt, ich fahre zum Spaß mit nach Berlin ?«
» Warum bist du mitgefahren ?«
» Ich wollt immer schon einmal nach Berlin. Und komm immer nur bis Linz .«
Das glaubte ihm Lisi nicht ganz.
» Du bist gekränkt, weil Fred geglaubt hat, du bist auch gekauft«, riet sie.
» Ah geh. So leicht bin ich nicht gekränkt«, sagte August beleidigt.
Lisi lächelte.
Der Himmel über Berlin wechselte von Anthrazit in Taubengrau, als sie von der A 100 abfuhren.
» Hab ich mir ganz anders vorgestellt, Berlin«, sagte August.
» Alle stellen sich Berlin anders vor. Das Tolle an Berlin ist, dass es Berlin gar nicht gibt«, sagte Lisi. » Es gibt mindestens tausend verschiedene Berlins. Nur der Himmel, der ist überall gleich. Aber das wissen wir ja seit Wim Wenders .«
» War das ein Himmelsforscher ?«
» Wim Wenders ?«
Lisi war sich nicht sicher, ob August sie auf den Arm nahm. Das wusste man bei ihm überhaupt nie so genau. Darum reagierte sie nicht. » Wir sind gleich da«, sagte sie nur.
Unter der Autobahnbrücke sahen sie drei Skins, die einen Jugendlichen eingekreist und gegen einen breiten Betonpfeiler gedrängt hatten. Als sie vorbeifuhren, kassierte der Junge eine Ohrfeige. » Bleib stehen«, sagte August.
» Was ist denn ?«
» Da wird einer gehaut .«
» Solche Keilereien gibt es ständig .«
» Dreh jetzt um und fahr dorthin .«
» Wenn du willst, rufen wir die Polizei .«
» Du sollst umdrehen .«
» August – das ist Berlin. Du kannst dich hier nicht in alles einmischen .«
Als August Anstalten machte, aus dem fahrenden Auto zu springen, machte Lisi kehrt. Die Skins bearbeiteten ihr Opfer mittlerweile zu dritt: Der lange, sportliche Schläger hielt den jungen Mann fest; der kleine Fette mit dem Tattoo im Nacken bearbeitete ihn mit den Händen; der junge, Milchgesichtige trat ihm mit seinen Springerstiefeln gegen und zwischen die Beine. Aber noch schlugen sie nicht voll zu, sondern ergötzten sich an der Angst des jungen, verträumt wirkenden Mannes, wie sich eine Katze in aller Ruhe an der letzten Panik eines Mäuschens erfreut. Der lockige junge Mann blutete aus der Nase. In
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