Liebe unter kaltem Himmel
können. Aber es ging gut aus, denn er war furchtbar nett und hat ihn mir heruntergeholt.«
»Ja, und jetzt ist er ungeheuer wütend darüber. Er sagt, du hättest ihn hypnotisiert.«
»Armer Kerl, ich kenne dieses Gefühl.«
»Was war denn in dem Koffer, Cedric? Er sagt, er hätte eine Tonne gewogen.«
»Complets« , sagte Cedric, »und ein paar Kleinigkeiten für mein Gesicht. Ganz wenig, wirklich. Ich habe eine wunderbare neue Nachtcreme gefunden, davon muss ich dir demnächst mal genauer erzählen.«
»Jetzt sagen jedenfalls alle: ›Da sieht man’s – wenn er sogar den alten Jock fixiert, kein Wunder, dass er die Montdores herumbekommen hat.‹«
»Aber wozu um alles in der Welt sollte ich denn die Montdores herumbekommen?«
»Testamente und so weiter. In Hampton leben.«
»Meine Liebe, was das angeht – Chèvres-Fontaine ist zwanzig Mal schöner als Hampton.«
»Aber könntest du jetzt dorthin zurück, Cedric?«, fragte ich.
Er warf mir einen ziemlich bösen Blick zu und fuhr fort: »Wenn die Leute nur begreifen würden, dass es einfach keinen Sinn hat, sich wegen eines Testaments ein Bein auszureißen – es lohnt die Mühe nicht. Ich habe einen Freund, der Jahr für Jahr lange Monate bei einem alten Onkel in der Sarthe verbrachte, um dafür zu sorgen, dass dieser Onkel ihn in seinem Testament bedachte. Es war eine Qual für ihn, denn er wusste, dass die Person, die er liebte, ihm in Paris untreu war, und außerdem ist die Sarthe eine sehr trostlose Gegend, weißt du. Trotzdem, er ließ nicht locker. Und was passiert? Der Onkel stirbt, mein armer Freund erbt das Haus in der Sarthe, und nun glaubt er, er müsse sich dort bei lebendigem Leib begraben, nur um das Gefühl zu haben, es sei richtig gewesen, viele Monate seiner Jugend in der Sarthe zu vertun. Verstehst du, worauf ich hinauswill? Es ist ein Teufelskreis, und ich habe nichts Teuflisches an mir. Es ist einfach so, ich liebe Sonia, deshalb bleibe ich.«
Ich glaubte ihm. Cedric lebte in der Gegenwart. Es war nicht seine Art, sich um letztwillige Verfügungen und dergleichen Sorgen zu machen; wenn es je einen Grashüpfer, eine Lilie auf dem Felde gab, dann ihn.
Als Davey von seiner Kreuzfahrt zurück war, rief er mich an und sagte, er wolle zum Lunch vorbeikommen und mir von Polly berichten. Mir fiel ein, dass vielleicht auch Cedric gern alles aus erster Hand hören würde. Davey war mit Publikum immer besser, selbst wenn er die Personen, aus denen es sich zusammensetzte, nicht besonders mochte, also rief ich in Hampton an. Cedric wollte gern zum Lunch kommen und fragte dann, ob er vielleicht für ein, zwei Tage bei mir bleiben könnte.
»Sonia ist zu dieser Orangenkur – ja, totales Fasten, außer Orangensaft, aber mach dir keine Sorgen ihretwegen, sie mogelt bestimmt. Onkel Montdore ist in London im Oberhaus, und mich bedrückt die Einsamkeit hier. Ich würde dich gern besuchen und mir Oxford einmal gründlich ansehen, dazu ist ja nie Zeit, wenn ich mit Sonia unterwegs bin. Es wird reizend, Fanny, danke, Liebes. Also, um eins.«
Alfred war zu jener Zeit sehr beschäftigt, und die Aussicht, ein oder zwei Tage in Cedrics Gesellschaft zu verbringen, entzückte mich. Vorsorglich warnte ich Tante Sadie und erklärte meinen jugendlichen Freunden, dass sie in der nächsten Zeit nicht bei mir auftauchen sollten.
»Wer ist der pickelige Knabe?«, hatte Cedric einmal gefragt, bevor ein Junge, der vor meinem Kamin gehockt hatte, auf einen Wink von mir sofort aus dem Zimmer verschwand.
»Für mich ist er der junge Shelley«, antwortete ich, phrasenhaft.
»Und für mich der junge Woodley.«
Davey war als Erster da.
»Cedric kommt auch«, sagte ich, »du musst auf ihn warten.« Ich sah sofort, dass es Davey schwerfiel, seine Neuigkeiten noch länger für sich zu behalten.
»Ach, Cedric – das ist aber gar nicht nett, Fanny, immer wenn ich komme, treffe ich dieses Ungeheuer hier, es scheint hier zu hausen. Was hält denn Alfred von ihm?«
»Offen gestanden, ich bezweifle, dass er ihn überhaupt wiedererkennen würde. Komm, sieh dir mal das Baby an, Davey.«
»Entschuldigt, wenn ich zu spät bin, ihr Schätze«, sagte Cedric und schwebte herein, »man muss in England wegen der herumspazierenden Herrschaften immer so langsam fahren. Warum sind die englischen Straßen bloß immer mit diesen in Tweed gehüllten Wandersleuten verstopft?«
»Es sind Colonels«, sagte ich, »machen französische Colonels denn keine Spaziergänge?«
»Die sind viel
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