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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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Katafalk, Prozession zur Gruft, das Niedersinken des Sarges ins Grab, die Finsternis. Doch was geschieht? In das blendende Licht der Bühne hüpft Lady Montdore, leichtfüßig wie eine junge Katze, das graue Haar seltsam blau getönt, und sie ist nicht allein, sie hat einen Partner mitgebracht, ein grässliches Geschöpf aus Sodom, aus Gomorrha, aus Paris, und schickt sich an, mit ihm einen wilden Fandango des Entzückens zu tanzen. Kein Wunder, dass sie murrten.
    Andererseits fand ich die ganze Sache einfach wunderbar, denn mir gefällt es, wenn meine Mitmenschen glücklich sind, und die neue Lage in Hampton hatte die Summe menschlicher Glückseligkeit um einiges erhöht. Einer betagten Dame, zugegeben, einer alten Egoistin, die nichts anderes als Kummer und Krankheit verdient hat (aber wer von uns würde am Ende etwas anderes verdienen?), wird unverhofft ein zusätzliches Leben geschenkt, sie wird jünger, hat zu tun und freut sich ihres Daseins; ein charmanter Junge, der die Schönheit und den Luxus über alles liebt, ein wenig käuflich vielleicht (aber wer von uns wäre das nicht, wenn sich die Gelegenheit ergibt?), dessen Leben bisher von den Launen irgendwelcher Barone abhing, gewinnt plötzlich auf ehrbarem Wege zwei liebevolle Eltern und erbt ein riesiges Vermögen, auch dies eine Vermehrung der Summe von Glück; Archie, der Lastwagenfahrer, hat die langen, kalten Nächte auf der Landstraße und die langen, öligen Stunden unter seinem Lastwagen ein für allemal hinter sich und poliert nun Goldbronze in einem warmen, von angenehmem Duft erfüllten Saal; Polly hat die große Liebe ihres Lebens geheiratet und Boy die größte Schönheit seiner Zeit heimgeführt, fünf unerwartete Glückszulagen, fünf glückliche Menschen, und trotzdem waren die Boreleys empört. Sie mussten wirkliche Menschenfeinde sein, so fand ich, wenn sie das Glück so sehr hassten.
    Das alles erzählte ich auch Davey, und er zuckte dabei ein bisschen zusammen. »Mir wäre es lieb, wenn du von Sonia nicht immer wie von einer alten Frau reden würdest, so, als stände sie am Rande des Grabes, sie ist kaum sechzig, weißt du, nur zehn Jahre älter als deine Tante Emily.«
    »Davey, sie ist vierzig Jahre älter als ich, da muss sie mir alt vorkommen. Ich möchte wetten, Leute, die vierzig Jahre älter als du sind, kommen dir auch alt vor, gib’s zu.«
    Davey gab es zu. Er räumte auch ein, dass es schön sei, Menschen glücklich zu sehen, machte aber die Einschränkung, sehr schön sei es nur, wenn einem diese Menschen auch sympathisch seien, und obwohl er Lady Montdore in gewisser Weise sehr gern habe, sei ihm Cedric nun mal nicht sympathisch.
    »Du magst Cedric nicht?«, fragte ich überrascht. »Wieso denn, Dave? Ich liebe ihn!«
    Er entgegnete, einer englischen Rosenknospe wie mir müsse Cedric wohl wie ein Wesen aus einer anderen, dunkel glitzernden Welt erscheinen, während er, Davey, auf seinen eigenen kosmopolitischen Streifzügen während der Zeit, bevor er Tante Emily kennenlernte und mit ihr sesshaft wurde, zu viele Cedrics gekannt habe.
    »Du Glückspilz«, sagte ich, »mir könnten es gar nicht genug sein. Und wenn du glaubst, ich fände sie dunkel glitzernd, dann täuschst du dich gewaltig, mein lieber Dave. Er kommt mir vor wie eine allerliebste Nanny.«
    »Allerliebste Nanny! Eisbär – Tiger – Puma – irgendetwas, das sich nicht zähmen lässt. Am Ende artet es bei ihnen immer in Gemeinheit aus. Warte nur ab, Fanny, der glänzende Goldgrund wird ziemlich schnell nachdunkeln, und am Ende wird es für Sonia schlimmer sein als am Anfang, das prophezeie ich. Ich habe es schon zu oft erlebt.«
    »Das glaube ich nicht. Cedric liebt Lady Montdore.«
    »Cedric«, sagte Davey, »liebt Cedric, und im Übrigen kommt er aus dem Dschungel, und sobald es ihm gefällt, wird er sie in Stücke reißen und sich wieder ins Unterholz stehlen – denk daran, was ich gesagt habe.«
    »Na«, sagte ich, »dann werden sich die Boreleys aber freuen!«
    Jetzt kam Cedric hereingeschlendert, und Davey machte Anstalten zu gehen. Ich glaube, nach all den schrecklichen Dingen, die er soeben gesagt hatte, wollte er ihm vor mir nicht allzu herzlich begegnen. Es war schwierig, Cedric gegenüber nicht herzlich zu sein, er war einfach entwaffnend.
    »Ich werde dich wohl erst wiedersehen, Fanny«, sagte Davey, »wenn ich von der Kreuzfahrt zurück bin.«
    »Oh, Sie machen eine Kreuzfahrt – wie herrlich –, wohin?«, fragte Cedric.
    »Der Sonne nach. Ich
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