Liebe unter kaltem Himmel
einfach keine Bälle beschreiben!«
»Macht nichts, der Tatler kommt ja noch.«
»Ja, sie sagten, die ganze Nacht hätten die Blitzlichter nur so gezuckt. Cedric besorgt sich die Aufnahmen bestimmt und zeigt sie uns.«
Da kam Boy herübergeschlendert und fragte: »Na, Fanny, was hast du von dem Ball gehört?«
»Oh, über den Ball haben wir gerade gesprochen«, sagte Polly, »wir können jetzt nicht noch mal von vorn beginnen. Wie geht es mit deiner Arbeit voran?«
»Ich könnte sie nach draußen holen, wenn ihr wollt.«
»Du weißt doch, dass ich deine alberne Stickerei nicht als Arbeit ansehe.«
Boy machte ein gekränktes Gesicht und ging davon.
»Polly, du bist unausstehlich«, sagte ich.
»Ja, aber nur zu seinem Wohl. Er behauptet, er könne sich nicht mehr konzentrieren, bis das Baby da ist, deshalb läuft er herum und geht allen auf die Nerven, statt an seinem Paddington weiterzuarbeiten. Er muss sich beeilen, wenn das Buch zu Weihnachten da sein soll, Souppes hat er immer noch vor sich. Hast du eigentlich jemals Geoffrey Paddington gesehen, Fanny?«
»Ja«, sagte ich, »Onkel Matthew hat ihn früher einmal zu einer Hausparty nach Alconleigh eingeladen. Alt.«
»Kein bisschen alt«, sagte Polly, »und einfach wunderbar. Du machst dir keine Vorstellung, wie nett er ist. Zuerst hat er Boy wegen des Buches besucht, und jetzt kommt er ziemlich oft zum Plaudern. Ungeheuer freundlich von ihm, findest du nicht? Mama kann er auf den Tod nicht leiden, deshalb habe ich ihn vor meiner Hochzeit nie gesehen – ich weiß noch, wie sie immer versucht hat, ihn nach Hampton zu locken, und dass er nie kommen wollte. Vielleicht ist er ja mal da, wenn du kommst, ich fände es schön, wenn du ihn kennenlernen würdest.«
Die Begegnung kam tatsächlich zustande, mehrmals, nachdem ich vor Silkin seinen schäbigen kleinen Morris hatte stehen sehen. Er war ein armer Mann, denn seine Vorfahren hatten zwar viel Ruhm, aber wenig Bargeld hinterlassen, und sein Vater, der alte Herr in den weißen Gamaschen, hatte das meiste von dem, was übrig war, an die Païva und Damen ihres Schlages verschwendet. Ich fand ihn freundlich und sehr langweilig und sah, dass er sich in Polly verliebte.
»Findest du ihn nicht auch schrecklich nett?«, fragte Polly. »Wirklich freundlich von ihm, jetzt zu kommen – bei meinem Aussehen!«
»Dein Gesicht ist so schön wie immer.«
»Ich sehne mich richtig danach, dass er mich sehen kann, wenn ich wieder so bin wie immer – falls das je der Fall sein wird. Langsam gebe ich die Hoffnung auf, dass dieses Baby noch zur Welt kommt.«
Es kam zur Welt, noch am gleichen Abend, warf, wie die Radletts es formulierten, einen kurzen Blick auf seinen Vater und verschied.
Polly war ziemlich krank, und zehn Tage lang gestattete Schwester keinen Besuch, aber sobald man wieder zu ihr durfte, fuhr ich hinüber. Unten in der Vorhalle traf ich Boy. Er blickte noch bedrückter drein als sonst. Armer Boy, dachte ich, jetzt saß er hier mit einer Frau, die keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen ihn machte, und hatte nicht einmal ein Kind zum Ausgleich.
Polly lag in einem Meer von Blumen, und Schwester trat deutlich in Erscheinung. Eigentlich hätte ein schreiendes Ungeheuer mit dunkelrotem Gesicht in einem Moses-Körbchen dieses Bild vervollständigen müssen, und ich spürte sein Fehlen so, als hätte ich dieses Wesen gut gekannt.
»Du Ärmste …«, begann ich. Aber Polly hatte viel von dem Talent ihrer Mutter geerbt, unangenehme Dinge beiseitezuschieben, und ich erkannte sofort, dass jede Mitleidsbekundung unangebracht wäre und sie ärgern würde, also begann ich nach Art der Radletts über zwei in voller Blüte stehende Kamelienbäumchen zu jubeln, die zu beiden Seiten ihres Bettes prangten.
»Geof Paddington hat sie mir geschickt«, erklärte sie. »Ein wirklich lieber Kerl, das musst du zugeben, Fanny. Weißt du, Schwester hat sich auch um seine Schwester gekümmert, als sie ihre Kinder bekam.«
Um wen hatte sich Schwester eigentlich nicht gekümmert? Mir fiel ein, dass sie und Boy in den ersten Nächten von Pollys Fieber, als sie zusammen in seinem Ankleidezimmer wachten, ein paar herrliche Plauderstunden gehabt haben mussten. Auch während ich da war, kam Schwester immer wieder herein, brachte ein Tablett, nahm einen leeren Becher mit hinaus, brachte noch mehr Blumen, benutzte jeden Vorwand, um unser Gespräch zu unterbrechen und jedes Mal eine nette kleine Portion Klatsch beizusteuern. Sie hatte meinen
Weitere Kostenlose Bücher