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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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dass sich überhaupt nichts abspielt. Ich weiß, dass sie diesen Franzosen nur eingeladen hat, weil sie glaubt, keine Frau könne ihm widerstehen. In Delhi war es damals auch so, da hat keine mehr an einen anderen gedacht – ich war allerdings gerade nicht in der Stadt, ich war mit Boy und Tante Patsy in den Bergen, eine himmlische Reise, ich muss dir mal davon erzählen, aber nicht jetzt.«
    »Würde es deiner Mutter denn gefallen, wenn du einen Franzosen heiratest?«, fragte ich. Liebe und Ehe waren für mich damals noch untrennbar verbunden.
    »Oh, nicht heiraten, du liebe Güte, nein. Sie möchte bloß, dass ich eine kleine Schwäche für ihn entwickle und zeige, dass ich dazu imstande bin – sie will sehen, dass ich wie andere Frauen bin. Na, sie wird’s noch erfahren. Da läutet die Umkleideglocke – ich hole dich ab, wenn ich fertig bin, ich wohne nicht mehr hier oben, ich habe ein neues Zimmer über der Vorhalle. Noch jede Menge Zeit, Fanny, eine ganze Stunde.«

4
    Ich war im Turm untergebracht, wo früher auch Polly ihr Kinderzimmer gehabt hatte. Während alle anderen Räume in Hampton im klassischen Stil eingerichtet waren, waltete in den Turmzimmern eine übertriebene Gotik, die Gotik der Märchenbuchillustrationen; in meinem Raum waren Bett, Schränke und Kamin mit Spitztürmchen geziert, die Tapete war mit Schnörkelfiguren gemustert, und es gab hohe Flügelfenster. Während die Familie in Indien gewesen war, hatte man das ganze Haus gründlich modernisiert, und als ich mich umsah, entdeckte ich, dass man in einen der Wandschränke ein gekacheltes Bad eingebaut hatte.
    Früher hatte ich mit dem Schwamm in der Hand eine furchtbar steile Wendeltreppe hinuntersteigen müssen, um ins Kinderbadezimmer zu gelangen, und ich konnte mich noch erinnern, wie kalt es draußen auf den Gängen immer gewesen war, auch wenn in meinem Zimmer ein kräftiges Feuer loderte. Aber auch die Zentralheizung war unterdessen erneuert worden, und überall herrschte eine Temperatur wie im Treibhaus. Zwar flackerte unter den Spitztürmchen des Kamins noch immer ein Feuer, aber es diente nur der Dekoration und wurde auch nicht mehr früh um sieben, vor dem Aufwachen, von einem wie eine Maus herumhuschenden Hausmädchen angezündet. Das Zeitalter des Luxus war zu Ende gegangen, und das Zeitalter des Komforts hatte begonnen. Konservativ, wie ich war, freute ich mich, dass man an der Ausstattung des Zimmers nichts verändert hatte, nur die Beleuchtung war erheblich verbessert worden, auf dem Bett lag eine neue Steppdecke, der Mahagonifrisiertisch hatte einen Petticoat aus Musselin und einen dreiteiligen Spiegelaufsatz bekommen, und der ganze Raum, auch das Bad, war mit Teppichboden ausgelegt.
    Alles andere war genauso geblieben, wie ich es in Erinnerung hatte, auch die beiden großen, nachgedunkelten Bilder waren noch da, die man vom Bett aus sehen konnte, Die Spieler von Caravaggio und Die Kurtisane von Raffael.
    Während ich mich zum Dinner umzog, wünschte ich mir, ich könnte diesen Abend mit Polly hier oben verbringen, und wir würden, wie früher, einfach im Schulzimmer von einem Tablett etwas essen. Ich hatte Angst vor dem Erwachsenendinner, das mir bevorstand, denn ich wusste, sobald ich unten im Esszimmer zwischen zwei alten Herren saß, würde ich nicht mehr die stille Beobachterin spielen können, ich würde mir etwas einfallen lassen müssen, das zur Unterhaltung beitrug. Mein Leben lang war mir – vor allem von Davey – immer wieder eingeschärft worden, Schweigsamkeit beim Essen sei antisozial.
    »Solange du plauderst, Fanny, kommt es nicht darauf an, was du redest, besser das ABC aufsagen als wie eine Taubstumme dasitzen. Denk an deine arme Gastgeberin, ihr gegenüber wäre es einfach nicht fair.«
    Im Esszimmer, zwischen dem Mann namens Rory und dem Mann namens Roly, war dann alles noch schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Der Tarnanstrich, der im Salon so gut gewirkt hatte, ging jetzt immer an und aus, wie eine defekte Glühbirne. Etwa so: Ich bin sichtbar, und einer meiner Nachbarn beginnt eine Unterhaltung mit mir. Er scheint auch sehr interessiert an dem, was ich sage, aber plötzlich, ohne jede Vorwarnung, werde ich unsichtbar, denn nun rufen Rory und Roly der Dame namens Veronica auf der anderen Seite des Tisches irgendetwas zu, während ich mit meiner armseligen kleinen Bemerkung in der Luft hänge. Anschließend zeigt sich, dass sie auch vorhin kein einziges Wort von mir mitbekommen haben, sondern

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