Liebe unter kaltem Himmel
j’étais très lié avec le Duc de Souppes, qu’est-ce qu’il est devenu, Madame la Duchesse?«
»Sind Sie etwa ein Freund von dem armen Souppes«, sagte sie, »diesem ungezogenen Jungen?«
Sie sprach mit einem merkwürdigen Akzent, einer Mischung aus Französisch und Cockney.
»Il habite toujours ce ravissant hôtel dans la rue du Bac?«
»Ich denke, ja.«
»Et la vieille duchesse est toujours en vie?«
Doch seine Nachbarin hatte sich wieder ganz dem Essen zugewandt, und er bekam kein Wort mehr aus ihr heraus. Immer wieder las sie die Speisekarte, reckte den Kopf, um zu sehen, welches Gericht als Nächstes aufgetragen würde, und als nach dem Pudding noch einmal Teller ausgeteilt wurden, berührte sie den ihren mit der Hand, und ich hörte, wie sie zufrieden zu sich selbst sagte: »Encore une assiette chaude, très – très bien.«
Es schmeckte ihr ausgezeichnet.
Auch mir schmeckte es, vor allem seit mein Tarnanstrich wieder vollkommen funktionierte, und dabei blieb es – während des ganzen Abends gab es keine größere Panne mehr.
Wie schade, dachte ich, dass Davey hier nicht einen seiner gefräßigen Tage absolvieren konnte. Immer beklagte er sich, Tante Emily setze ihm bei diesen Gelegenheiten nicht genug unterschiedliche Gerichte vor, um seinem Stoffwechsel wirklich einen gehörigen Schock zu versetzen.
»Ich glaube, du begreifst überhaupt nicht, was ich brauche«, sagte er dann manchmal für seine Verhältnisse ziemlich unwirsch. »Die Völlerei muss mich schwindlig machen und völlig erschöpfen, wenn sie etwas bewirken soll – worauf wir zielen müssen, ist dieses Gefühl, das man nach einer Mahlzeit in einem Pariser Restaurant hat, wenn man so satt ist, dass man nur noch stundenlang auf dem Bett liegen kann, wie eine Kobra – so voll, dass man nicht mal mehr imstande ist zu schlafen. Es bedarf ganz einfach einer großen Zahl unterschiedlicher Gänge, um meinem Appetit zu schmeicheln – zweite Portionen zählen nicht, die nehme ich sowieso –, einer großen Zahl unterschiedlicher Gänge von wirklich schweren Speisen, liebe Emily. Natürlich, wenn es dir lieber ist, gebe ich die Kur auf – aber es wäre schade, gerade jetzt, wo sie so gut bei mir anschlägt. Und wenn du an das Haushaltsbuch denkst, dann denk bitte auch an meine Fastentage. Die berücksichtigst du nämlich anscheinend nie.«
Aber Tante Emily meinte, die Fastentage würden sich im Haushaltsbudget überhaupt nicht auswirken, und bei dem, was er als Fasten bezeichne, würde jeder andere von vier anständigen Mahlzeiten sprechen.
Rund zwei Dutzend hier um den Tisch versammelte Stoffwechselsysteme, so überlegte ich mir, wurden an diesem Abend kräftig in Schwung gebracht, während das Essen seinen Fortgang nahm. Suppe, Fisch, Fasan, Beefsteak, Spargel, Pudding, Nachspeise, Obst. Hampton-Kost, wie Tante Sadie sie zu nennen pflegte, und die Speisen in Hampton besaßen tatsächlich einen ganz eigentümlichen Charakter, der sich vielleicht am besten folgendermaßen beschreiben lässt: Berge der köstlichsten Schonkost, die man sich vorstellen kann, einfach, gesund, aus erstklassigen Zutaten bereitet, wobei jede einzelne von ihnen stark nach sich selbst schmeckte. Aber wie bei allem in Hampton tat man auch hier des Guten zu viel. So wie Lady Montdore ein bisschen zu sehr Gräfin war und Lord Montdore ein bisschen zu sehr der große alte Staatsmann, die Bediensteten zu perfekt und zu ehrerbietig, die Betten zu weich und die Bettwäsche zu fein, die Automobile zu neu und zu glänzend und alles zu aufgeräumt und zu ordentlich, so schmeckten auch die Pfirsiche zu sehr nach Pfirsich. Als Kind kam mir Hampton wegen dieser übertriebenen Vortrefflichkeit immer ganz unwirklich vor, verglichen mit den wenigen anderen Häusern, die ich kannte, mit Alconleigh und dem kleinen Haus von Tante Emily. Es war wie ein Adelssitz in einem Buch oder einem Theaterstück, nicht wie ein Haus, in dem jemand zu Hause war, und auch die Montdores und Polly kamen mir nie ganz wie Menschen aus Fleisch und Blut vor.
Um die Zeit, da ich mich über einen dieser etwas zu sehr nach Pfirsich schmeckenden Pfirsiche hermachte, hatte ich jede Angst, wenn nicht gar jedes Gefühl für Anstand verloren, drehte mich hierhin und dorthin, wie ich es zu Beginn des Dinners nicht gewagt hätte, und warf kühne Blicke nach rechts und links. Es lag nicht am Wein, ich hatte nur ein Glas Bordeaux getrunken, und meine anderen Gläser standen alle noch voll und unberührt da (der
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