Liebe unter kaltem Himmel
erzählen.
»Auf deinem Ball war er ungeheuer nett zu mir, dabei hatte ich aus einem bestimmten Grund gar nicht erwartet, dass er nach London kommen würde, nämlich wegen der Bundhosen. Ich wusste, er besitzt keine, außerdem hat er immer so viel zu tun und hasst Partys, da kannst du dir vorstellen, wie aufgeregt ich war, als ich ihn dann doch sah. Er forderte mich zum Tanzen auf, anschließend die gute alte Louisa, dann sogar Tante Emily, und da dachte ich mir, ach, er kennt hier sonst niemanden, daran muss es liegen. Nachher nahm er mich mit zum Supper und sagte, er fände mein Kleid schön, und er hoffte, ich würde ihn mal in Oxford besuchen, und schließlich sagte er etwas, woran ich erkannte, dass er sich an ein früheres Gespräch zwischen uns erinnerte. Du weißt ja, wie ermutigend so etwas immer ist. Später hat er mich dann nach Oxford eingeladen, zweimal, einmal zu einer Lunchparty, und einmal war er allein, aber in den Ferien fuhr er nach Griechenland, und die Ferien in Oxford sind elend lang, weißt du. Nicht mal eine Postkarte – ich dachte schon, es ist alles aus. Aber letzten Donnerstag bin ich wieder in Oxford gewesen, und diesmal hat er mir einen Antrag gemacht, hier, sieh mal …«, sagte ich und zeigte ihr den schönen Ring, einen in Diamanten gefassten Granat.
»Erzähl mir nicht, dass er ihn selbst getragen hat, so wie in Werdegang einer Marquise «, sagte Polly.
»Doch, genau so, bloß dass es kein Rubin ist.«
»Aber dafür groß wie ein Taubenei. Du hast ein Glück!«
Jetzt erschien Lady Montdore. Sie trug noch ihre Straßenkleidung und schien in ungewöhnlich sanfter Stimmung zu sein.
»Aha, die Mädchen!«, sagte sie. »Ballgeplauder, nehme ich an, wie üblich! Gehst du heute Abend zu den Gravesends, Fanny? Gib mir einen Tee, ich bin sterbensmüde, so ein Nachmittag mit der Großherzogin, ich habe sie am Kensington Palace abgesetzt. Man sollte nicht glauben, dass diese Frau fast achtzig ist, die würde uns alle ganz schön in Trab halten, und dabei so freundlich, so menschlich, über alles kann man mit ihr reden. Wir waren bei Woollands und haben ein paar Wollsachen gekauft – sie friert immer so. Vermisst die Doppelfenster sehr, sagt sie.«
Es muss für Lady Montdore betrüblich gewesen sein (obwohl sie es bei ihrem Talent, Unerfreuliches einfach nicht wahrzuhaben, vermutlich nie bemerkt hat), dass die Freundschaften mit königlichen Hoheiten für sie immer erst begannen, wenn deren Ruhmestage gezählt waren. In Schlössern wie Sarskoje Selo, Schönbrunn, im Quirinal, im Cotroceni-Palast, in Miramar, Laken und auf Korfu war sie nie zu Gast gewesen, außer inmitten einer riesigen Menschenmenge in den Staatsgemächern. Wenn sie mit ihrem Mann eine ausländische Hauptstadt besuchte, wurde sie natürlich zu offiziellen Empfängen eingeladen, und die ausländischen Herrscher, die nach London kamen, ließen sich auch auf ihren großen Partys sehen, aber das alles blieb sehr förmlich. Gekrönte Häupter hatten vielleicht nicht Verstand genug, die Krone auf dem Kopf zu behalten, aber so dumm waren sie wiederum nicht, dass sie nicht gewusst hätten: Wer Lady Montdore einen Finger gibt, der kann ihr gleich die ganze Hand reichen. Sobald sie jedoch im Exil waren, besannen sie sich auf ihre charmante Freundin, und mit jedem untergegangenen Königreich vergrößerte sich die Zahl der Habitués in Montdore House; und wenn sie dann schließlich völlig abgebrannt waren und alles für den Notfall zurückgelegte Geld durchgebracht hatten, wurde Lady Montdore sogar als Hofdame zugelassen und durfte mit ihnen zu Woollands gehen.
Polly versorgte sie mit einer Tasse Tee und erzählte ihr meine Neuigkeit. Mit einem Schlag erlosch der Nachglanz des königlichen Ausflugs auf ihrem Gesicht, und sie wurde äußerst unangenehm.
»Verlobt?«, sagte sie. »Nun, das hört sich ja sehr nett an. Alfred wie doch gleich? Wer ist das? Was ist das für ein Name?«
»Er ist Professor in Oxford.«
»Oh, meine Liebe, wie außergewöhnlich. Aber du wirst doch nicht in Oxford leben wollen? Ich glaube, er sollte lieber in die Politik gehen und sich ein Amt kaufen – er hat vermutlich noch keines, oder? Nein, sonst wäre er nicht Professor und nicht Don, jedenfalls kein englischer, in Spanien ist das etwas anderes – da ist man als Don jemand, soviel ich weiß. Wir wollen einmal überlegen – ja, warum sollte euch dein Vater nicht zur Hochzeit ein Amt schenken? Du bist das einzige Kind, das er aller
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