Liebe unter kaltem Himmel
Taubenei an den Finger gesteckt hatte, und das infolge eines wunderbaren Glücksfalles zu vermieten war.
»Das Wichtigste ist, dass man einen wirklich guten Pelzmantel hat, meine Liebe«, sagte Lady Montdore, »ich meine, einen richtigen, dunklen.« Pelz war für sie gleichbedeutend mit Nerz; etwas anderes kam für sie einfach nicht infrage, außer Zobel, aber den hätte sie eigens benannt. »Damit sehen nicht nur alle anderen Kleider von dir besser aus, als sie sind, man braucht sich auch sonst um nichts zu kümmern, du kannst ihn ja immer anbehalten. Aber vor allem, verschwende kein Geld für Unterwäsche, etwas Dümmeres gibt es nicht – ich leihe mir immer die von Montdore. Und für den Abend ist eine Diamantenbrosche sehr hilfreich, sofern sie gute, große Steine besitzt. Liebes Kind, wenn ich an die Diamanten denke, die dein Vater dieser Frau geschenkt hat – es ist wirklich grauenhaft. Trotzdem, er kann nicht alles durchgebracht haben, er war ungeheuer reich, als er das Erbe antrat, ich muss ihm schreiben. Jetzt werden wir uns mal ganz der praktischen Seite zuwenden. Jetzt oder nie.«
Sie klingelte nach ihrer Sekretärin und beauftragte sie, die Adresse meines Vaters ausfindig zu machen.
»Sie könnten den Staatssekretär im Kolonialamt anrufen, mit einem schönen Gruß von mir, und notieren Sie sich bitte, dass ich morgen an Lord Logan schreibe.«
Außerdem trug sie ihr auf, eine Liste von Geschäften zusammenzustellen, wo man Bettwäsche, Unterwäsche und Einrichtungsgegenstände zu Großhandelspreisen bekommen konnte.
»Bringen Sie die Aufstellung gleich her, wenn Sie fertig sind, für Miss Logan.«
Als die Sekretärin gegangen war, wandte sich Lady Montdore an Polly und sprach nun mit ihr, als wäre auch ich hinausgegangen und hätte sie allein gelassen. Es war eine Angewohnheit von ihr, die mir immer Unbehagen bereitete, weil ich nie wusste, was sie nun eigentlich von mir erwartete: ob ich sie unterbrechen und mich verabschieden sollte oder ob ich einfach aus dem Fenster sehen und so tun sollte, als wäre ich mit meinen Gedanken woanders. Diesmal aber sollte ich ja auf die Adressenliste warten und hatte deshalb keine Wahl.
»Also, Polly, hast du dir jetzt überlegt, welchen jungen Mann ich für den 3. einladen soll?«
»Ja, wie wäre es mit John Coningsby?«, meinte Polly mit einer Gleichgültigkeit, die, wie ich deutlich sah, ihre Mutter zur Raserei bringen musste. Lord Coningsby war sozusagen Pollys offizieller »junger Mann«. Sie lud ihn immer ein, und anfangs war Lady Montdore darüber auch sehr erfreut gewesen, denn er war reich, sah gut aus, war umgänglich und ein »ältester Sohn«, was in Lady Montdores Sprachgebrauch so viel bedeutete wie der älteste Sohn eines Peers (sollte nur ja kein erstgeborener Jones oder Robinson glauben, er sei ein ältester Sohn). Sehr bald jedoch erkannte sie, dass John Coningsby und Polly sehr gute Freunde waren und nie etwas anderes sein würden, woraufhin sie voller Bedauern jegliches Interesse an ihm verlor.
»Oh, John zähle ich nicht«, sagte sie.
»Was soll das heißen, du zählst ihn nicht?«
»Er ist nur ein Freund. Also, bei Woollands ist mir etwas eingefallen – beim Einkaufen kommen mir oft gute Ideen –, wie wäre es, wenn wir Joyce Fleetwood einladen würden?«
O je, die Tage, in denen einzig und allein ich, Albert Edward Christian George Andrew Patrick David, für würdig erachtet wurde, dich, Leopoldina, zu nehmen, mussten weit zurückliegen, wenn inzwischen schon Joyce Fleetwood als Ersatzmann vorgeschlagen wurde. Vielleicht hatte sich Lady Montdore überlegt, wenn Polly schon keine Neigung zeigte, einen Mann von etabliertem, ererbtem Rang zu heiraten, dann sei die zweitbeste Lösung jemand, der imstande war, einen solchen Rang aus eigener Kraft zu erringen. Joyce Fleetwood war ein vorlauter, eingebildeter junger Abgeordneter der Konservativen Partei, der sich in einigen der langweiligeren parlamentarischen Fragen kundig gemacht hatte, Landwirtschaft, das britische Weltreich und so weiter, und jederzeit gern bereit war, sich im Unterhaus über sie zu verbreiten. Er hatte sich bei Lady Montdore eingeschmeichelt, die ihn für klüger hielt, als er wirklich war; sie kannte seine Eltern, sie lebten in Norfolk.
»Nun, Polly?«
»Ja, warum eigentlich nicht«, sagte Polly. »Man kommt sich zwar vor, als stände man unter der Dusche, wenn er redet, aber dafür ist er ja so ungeheuer faszinierend, nicht wahr?«
Jetzt riss bei Lady Montdore
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