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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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gründlich verlegt.
    Anschließend tanzte er mit Tante Emily, dann noch einmal mit mir, und mit Louisa, nachdem er mich für nachher zum Supper eingeladen hatte.
    »Wer ist der Knilch?«, fragte Onkel Matthew zähneknirschend, als der junge Mann mit Louisa davonging. »Warum taucht der hier ständig auf?«
    »Er heißt Alfred Wincham«, sagte ich, »soll ich ihn dir vorstellen?«
    »Um Himmels willen, Fanny!«
    »Du alter Pascha!«, meinte Davey. Und wirklich, Onkel Matthew hätte allen Frauen in seiner Verwandtschaft am liebsten wenn nicht Jungfräulichkeit, so doch zumindest verschärfte Keuschheit auferlegt und konnte es nie ertragen, wenn fremde Männer sich ihnen näherten.
    In der Zeit, in der ich nicht tanzte, kehrte ich zurück und setzte mich zu meinen Verwandten. Nach zwei Tänzen und der Verabredung zum Supper war ich ruhiger und vertrieb mir gern die Zeit damit, dem Gespräch der Älteren zu lauschen.
    Bald erhoben sich Tante Sadie und Tante Emily, um das Supper gemeinsam einzunehmen; bei Partys machten sie es gern so. Davey rückte zwei Stühle auf und setzte sich direkt neben Lady Patricia, während Onkel Matthew neben Daveys Stuhl im Stehen schlief, wie ein Pferd, das geduldig wartet, bis man es in den Stall zurückführt. »Meyerstein ist der kommende Mann«, sagte Davey gerade. »Du musst unbedingt zu ihm, Patricia, er arbeitet mit Salzausscheidung. Man hüpft, damit der Organismus das ganze Salz ausschwitzt, und isst natürlich auch salzlos. Scheußlich. Aber die Kristalle wird man los.«
    »Meinst du Seilhüpfen?«
    »Ja, viele Hundert Mal. Man zählt mit. Ich schaffe es inzwischen dreihundert Mal hintereinander und ein paar kompliziertere Sprünge zusätzlich.«
    »Aber ist das nicht furchtbar ermüdend?«
    »Nichts kann Davey ermüden – der Bursche ist stark wie ein Stier«, sagte Onkel Matthew, indem er ein Auge öffnete.
    Davey warf einen traurigen Blick auf seinen Schwager und meinte, natürlich sei es ermüdend, aber die Ergebnisse seien die Mühe wert.
    Polly tanzte jetzt mit ihrem Onkel Boy. Sie strahlte nicht und sah nicht so glücklich aus, wie man es bei einem so verwöhnten Mädchen auf dem eigenen Einführungsball erwartet hätte, stattdessen wirkte sie erschöpft, hatte etwas Verkniffenes um den Mund und plauderte auch nicht so wie die anderen Frauen.
    »Mir würde es nicht gefallen, wenn eines von meinen Mädchen so aussähe«, sagte Tante Sadie, »man könnte fast glauben, sie hat etwas auf dem Herzen.«
    Und mein neuer Freund Mr Wincham sagte, als wir vor dem Supper noch einmal tanzten: »Natürlich ist sie eine Schönheit, das sehe ich durchaus, aber anziehend wirkt sie auf mich nicht, mit ihrem Schmollen, sie ist bestimmt sehr langweilig.«
    Ich wollte gerade abstreiten, dass sie schmollte oder langweilig sei, als er zum ersten Mal »Fanny« zu mir sagte und dann viele andere Dinge folgen ließ, die ich mir genau merken wollte, um sie später, wenn ich allein sein würde, gründlich zu überdenken.
    Mrs Chaddesley Corbett rief mir aus den Armen des Prinzen von Wales zu: »Hallo, meine Süße! Was gibt’s Neues von der Hopse? Sind Sie noch verliebt?«
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte mein Partner. »Wer ist diese Frau? Wer ist die Hopse? Und stimmt es, dass Sie verliebt sind?«
    »Das war Mrs Chaddesley Corbett«, erklärte ich. Ich hatte das Gefühl, die Zeit sei noch nicht reif, ihm zu erklären, wer die Hopse war.
    »Und was sollte das mit dem Verliebtsein bedeuten?«
    »Gar nichts«, sagte ich errötend, »nur ein Scherz.«
    »Gut. Ich würde mich freuen, wenn Sie an der Schwelle zur Liebe ständen, aber nicht mitten darin. Es ist ein sehr angenehmer Zustand, solange er währt.«
    Aber ich war natürlich längst über die Schwelle hinaus und schwamm im blauen Meer der Illusion, vermeintlich zu den Inseln der Seligen hinüber, in Wirklichkeit aber zu Haushalt, Mutterschaft und dem gewöhnlichen Schicksal der Frauen.
    Ehrfürchtiges Schweigen breitete sich in der Menge aus, als die königlichen Hoheiten sich anschickten, nach Hause zu gehen, die wirklich großen königlichen Hoheiten – die mit der heiteren Gewissheit, daheim neben ihren Betten das traditionelle kalte Brathähnchen zu finden –, nicht die bemitleidenswerten Madams und zwielichtigen Sirs, die sich im Speisesaal den Bauch vollstopften, als seien sie keineswegs sicher, je wieder so viele Speisen nebeneinander zu erblicken, und auch nicht die jungen, ausgelassenen königlichen Hoheiten, die mit den

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