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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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kleinen, niedlichen Frauen vom Schlage der Mrs Chaddesley Corbett bis in den Morgen tanzen würden.
    »Wie lange sie geblieben sind, ein Triumph für Sonia!«, hörte ich Boy zu seiner Frau sagen.
    Die Tänzer teilten sich und bildeten wie das Rote Meer eine Gasse sich verbeugender und knicksender Untertanen, durch die Lord und Lady Montdore ihre Gäste geleiteten.
    »Sehr freundlich, dass Sie dies anmerken, Madam. Jawohl, auf dem nächsten Empfang bei Hof. Oh, wirklich zu freundlich!«
    Strahlend kehrten die Montdores in die Bildergalerie zurück und sagten, an niemand Bestimmten gerichtet: »So schlicht, so einfach, von jeder kleinen Gefälligkeit entzückt, wunderbare Umgangsformen, und was für ein Gedächtnis! Erstaunlich, wie viel sie über Indien wissen, der Maharadscha war entzückt.«
    Sie redeten, als stünden diese Hoheiten dem täglichen Leben so fern, dass schon das geringste Anzeichen von Menschenähnlichkeit, die bloße Tatsache, dass sie sich mit Hilfe der Sprache verständlich machten, bemerkenswert und mitteilenswert erschien.
    Den Rest des Abends verbrachte ich in glücklicher Benommenheit, und an die Party selbst kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich an einem schönen Maimorgen um fünf Uhr früh von Mr Wincham in das Goring Hotel, wo wir alle logierten, zurückgebracht wurde. Inzwischen hatte er mir deutlich zu verstehen gegeben, dass er dem Umgang mit mir durchaus nicht abgeneigt war.

10
    Polly war also nun in die Londoner Gesellschaft »eingeführt« und spielte für den Rest der Saison ihre Rolle so, wie sie es auf dem Ball getan hatte – bereitwillig, aber zur Vollkommenheit fehlten ihrem Auftreten die Lebhaftigkeit und das Temperament. Sie tat alles, was ihre Mutter für sie arrangierte, besuchte die Partys, trug die Kleider, gewann die Freunde, die Lady Montdore für passend hielt, tat nichts auf eigene Faust und bot keinen Anlass zu Klagen. Gewiss trug sie nicht dazu bei, eine fröhliche Stimmung zu erzeugen, aber Lady Montdore selbst war gerade hiermit so sehr beschäftigt, dass ihr gar nicht auffiel, wie wenig sich Polly, obgleich gehorsam und ergeben, von den vielen Lustbarkeiten, die sie aufsuchten, mitreißen oder auch nur aufmuntern ließ. Lady Montdore ihrerseits genoss alles sehr, schien mit Polly zufrieden und war entzückt über die öffentliche Aufmerksamkeit, die ihrer Tochter als wichtigster und schönster Debütantin des Jahres zuteil wurde. Die ganze Saison über betätigte sie sich so eifrig im Getriebe und Geschiebe der vornehmen Gesellschaft, dass sie gar keine Zeit fand, sich zu fragen, ob Polly nun ein Erfolg sei oder nicht; als alles vorüber war, begaben sie sich nach Goodwood, nach Cowes auf der Isle of Wight und nach Schottland, wo Lady Montdore inmitten von Dunst und Heidekraut sicherlich die Muße fand, Bilanz zu ziehen. Für viele Wochen verschwanden die beiden aus meinem Leben.
    Als ich sie im Herbst wiedersah, war ihr Verhältnis wie früher – sie gingen einander offenbar ganz erheblich auf die Nerven. Tante Emily hatte für den Winter ein kleines Haus an der St. Leonard’s Terrace gemietet, und so wohnte auch ich jetzt in London. Für mich war es eine sehr glückliche Zeit, denn bald sollte die Verlobung mit Alfred Wincham stattfinden, jenem jungen Mann, dessen Blick über die Schulter mich auf dem Ball der Montdores so sehr in Aufregung versetzt hatte.
    In den Wochen vor meiner Verlobung sah ich Polly sehr oft. Manchmal rief sie mich morgens an: »Was machst du so, Fanny?«
    »Ich sterbe«, antwortete ich und meinte: vor Langeweile, ein Leiden, an dem junge Mädchen früher häufig erkrankten, bis der Nationale Hilfsdienst sie davon erlöste.
    »Oh, gut. Vielleicht tust du mir dann einen Gefallen? Du ahnst nicht, wie öde es ist, aber wenn du sowieso schon stirbst … Also, ich muss bei Madame Rita den blauen Samthut anprobieren, und dann muss ich bei Debenhams Handschuhe abholen – es hieß, sie würden heute dort sein. Aber das Schlimmste kommt noch – lässt du dich auch dazu breitschlagen, zusammen mit meiner Tante Edna in Hampton Court zu essen und nachher mit ihr zu plaudern, während ich mir das Haar machen lasse? Nein, vergiss, dass ich dich überhaupt gefragt habe, eine Zumutung, ich weiß – trotzdem, wir treffen uns. In einer halben Stunde bin ich bei dir.«
    Ich war leicht herumzubekommen. Ich hatte nichts zu tun und fuhr gern in dem großen Daimler durch London spazieren, während Polly all die Dinge tat, die man von

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