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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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geht es gleich wieder los. Ich rufe dich an, bis bald …«

11
    Ich heiratete zu Beginn der Weihnachtsferien, und als Alfred und ich von unserer Hochzeitsreise zurückkehrten, nahmen wir, solange unser kleines Haus in Oxford noch renoviert wurde, Quartier in Alconleigh. Für uns war das sehr praktisch, denn Alfred konnte von dort jeden Tag in sein College nach Oxford fahren, und ich konnte mich um die Arbeiten in unserem Haus kümmern, aber obwohl Alconleigh für mich immer ein zweites Zuhause gewesen war, nahm ich nur zögernd an, als Tante Sadie mich einlud, meinen Mann gleich am Beginn unserer Ehe zu einem so langen Besuch dorthin mitzunehmen. Die Sympathien und Antipathien meines Onkels Matthew waren berühmt für ihre Heftigkeit, für die Vorherrschaft der Letzteren über die Ersteren und auch dafür, dass er nie den geringsten Versuch unternahm, sie vor dem Betroffenen zu verbergen; ich glaubte zu sehen, wie sich in seinem Kopf die Vorurteile gegen den armen Alfred zusammenbrauten. Es war allgemein bekannt, dass Onkel Matthew mich verabscheute; sodann hasste er neue Gesichter, er hasste Männer, die seine weiblichen Verwandten heirateten, und schließlich hasste und verachtete er Leute, die sich nicht an Fuchsjagden beteiligten. Ich hatte wenig Hoffnung für Alfred, vor allem – Gipfel des Schreckens –, weil »der Bursche Bücher liest«.
    Gewiss, das alles hatte auch für Davey gegolten, als er nach der Verlobung mit Tante Emily zum ersten Mal in Erscheinung getreten war, und trotzdem hatte Onkel Matthew sofort eine unbegreifliche Neigung zu Davey gefasst, aber es bestand wenig Aussicht, dass sich ein solches Wunder noch einmal wiederholen würde. Meine Befürchtungen erfüllten sich jedoch nicht ganz. Ich vermute, Tante Sadie hatte ihrem Mann vor unserer Ankunft kräftig zugesetzt, und auch ich hatte bei Alfred mein Bestes versucht. Ich hatte ihn dazu gebracht, sein Haar auf eine soldatische Kürze stutzen zu lassen, hatte ihm erklärt, wenn er unbedingt ein Buch aufschlagen müsse, dann möge er dies in der Abgeschiedenheit seines Schlafzimmers tun, und vor allem hatte ich ihm äußerste Pünktlichkeit bei den Mahlzeiten eingeschärft. Onkel Matthew, so hatte ich ihm erläutert, schätzte es, wenn wir alle uns mindestens fünf Minuten, bevor das Essen fertig war, im Esszimmer versammelten. »Los, kommt«, pflegte er zu sagen, »wir setzen uns schon mal hin.« Und schon setzte sich die Familie mal hin. Alle drückten sich die heißen Teller vor die Brust (Tante Sadie hatte das einmal aus lauter Zersteutheit mit einem Teller Artischockensuppe getan) und hefteten den Blick auf die Tür zum Anrichteraum.
    Ich versuchte, Alfred diese Dinge zu erklären, und er hörte mir geduldig, aber verständnislos zu. Ich versuchte ihn auch auf die verheerende Wirkung der Wutanfälle meines Onkels vorzubereiten und versetzte den Armen damit unnötigerweise in Angst und Schrecken.
    »Gehen wir lieber ins Mitre «, meinte er immer wieder.
    »Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm«, entgegnete ich unsicher.
    Und am Ende war es tatsächlich nicht so schlimm. Der traditionelle Abscheu, den Onkel Matthew schon gegen mich entwickelt hatte, als ich noch ganz klein gewesen war, und der meine ganze Kindheit mit Angst überschattet hatte, war inzwischen nämlich mehr Sage als Wirklichkeit. Ich war ein so regelmäßiger Gast in seinem Haus und er ein so konservativ veranlagter Mensch, dass dieser Abscheu zusammen mit dem gegen Josh, den Pferdeknecht, und verschiedene andere alte Vertraute nicht nur an Kraft eingebüßt hatte, sondern, wie ich glaube, im Laufe der Jahre sogar in echte Liebe umgeschlagen war – denn eine lauwarme Gefühlsregung wie etwa die herkömmliche onkelhafte Jovialität war seinem ganzen Wesen selbstverständlich völlig fremd. Aber wie dem auch sei – er hatte offenbar nicht die Absicht, die Anfänge meines Ehelebens zu vergiften, und bemühte sich in rührender Weise, verschiedene Anwandlungen von Ärger über gewisse Unzulänglichkeiten Alfreds zu unterdrücken: über seine unmännliche Ahnungslosigkeit in Fragen, die das eigene Automobil betrafen, zum Beispiel, über sein etwas verschwommenes Zeitgefühl und einen fatalen Hang, beim Frühstück mit Marmelade zu kleckern. Dass Alfred morgens um neun nach Oxford fuhr und erst zum Dinner zurückkehrte und dass wir Woche für Woche von Samstag bis Montag in Kent bei Tante Emily waren, machte unseren Besuch für Onkel Matthew gerade eben erträglich und

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