Liebe unter kaltem Himmel
immer, hört ihr.«
»Das ist unfair – Fanny erzählt es jetzt bestimmt Polly. Na schön, zurück zum Gesundheitslexikon und zur Bibel. Wenn diese Dinge in gedruckter Form bloß nicht so ernüchternd wirken würden. Wir brauchen eine vernünftige verheiratete Frau, die es uns erklärt, aber wo finden wir die?«
Die Unterhaltung zwischen Polly und mir war jedoch nur sehr sprunghaft. Ich zeigte ihr Fotos von Alfred und mir in Südfrankreich, wo er meine arme Mutter, die Hopse, kennengelernt hatte, die dort jetzt mit einem unangenehmen neuen Ehemann lebte. Polly erzählte, auch die Dougdales würden in der nächsten Woche nach Südfrankreich fahren, die Kälte mache Lady Patricia in diesem Winter sehr zu schaffen. Außerdem berichtete sie, in Hampton habe eine gewaltige Weihnachtsparty stattgefunden, und Joyce Fleetwood sei bei ihrer Mutter in Ungnade gefallen, weil er seine Bridgeschulden nicht bezahlt habe.
»Immerhin ein Trost«, meinte Polly. »Die Großherzogin ist immer noch da, die Arme. So etwas Langweiliges – aber Mami sieht das anscheinend anders.«
Ich mochte nicht danach fragen, ob Polly und ihre Mutter jetzt besser miteinander auskamen, und Polly kam nicht auf dieses Thema zu sprechen, aber ich fand, sie sah sehr mitgenommen aus. Wenig später sagte sie, sie müsse jetzt gehen.
»Komm doch mal herüber zu uns, und bring Alfred mit.«
Aber die Wirkung von Lady Montdore auf Alfred fürchtete ich noch mehr als die von Onkel Matthew und erklärte, er sei zu beschäftigt, ich würde demnächst einmal allein kommen.
»Wie ich höre, sieht es zwischen ihr und Sonia mal wieder sehr schlecht aus«, sagte Tante Sadie, als Polly abgefahren war.
»Diese Schreckschraube«, sagte Onkel Matthew. »Ich würde sie ertränken, wenn ich Montdore wäre.«
»Er könnte sie auch mit der Nagelschere in kleine Stücke schneiden, wie der französische Herzog, von dem dir der Lasterlektor letztens erzählt hat, Sadie, als du nicht zugehört hast, aber wir.«
»Nennt mich nicht immer Sadie, Kinder, und zu Mr Dougdale sollt ihr nicht Lasterlektor sagen.«
»Ach, wir tun das immer hinter eurem Rücken, und manchmal rutscht es uns eben heraus.«
In diesem Augenblick kam Davey herein. Er wollte ungefähr eine Woche bleiben, um sich im Radcliffe-Krankenhaus in Oxford behandeln zu lassen. Tante Emily ließ sich nur noch selten überreden, ihre vielen Tiere allein zu lassen, wofür wir ihr damals sehr dankbar waren, denn die Sonntage in Kent waren mir und Alfred als Erholung wirklich unentbehrlich.
»Ich habe Polly auf der Zufahrt getroffen«, sagte Davey, »wir haben angehalten und uns kurz unterhalten. Ich finde, sie sieht richtig krank aus.«
»Unsinn«, sagte Tante Sadie, die nicht an Krankheiten glaubte, außer an Blinddarmentzündung. »Polly hat gar nichts, sie braucht einen Mann, das ist alles.«
»Oh! Typisch Frau!«, sagte Davey. »Die praktische Liebe, meine liebe Sadie, ist keineswegs ein Allheilmittel, weißt du. Ich wollte, es wäre so!«
»Diese Praxis habe ich gar nicht gemeint«, entgegnete meine Tante, höchst aufgebracht über diese Deutung. Sie war, wie die Kinder es ausdrückten, »dagegen«, das heißt, die praktische Liebe spielte in ihren Überlegungen keine Rolle. »Ich habe gesagt und ich habe gemeint, dass sie einen Mann braucht. Mädchen in ihrem Alter, die zu Hause wohnen, sind fast nie glücklich, und Polly ist ein besonders schwerer Fall, weil sie absolut nichts zu tun hat, sie interessiert sich nicht fürs Jagen, für Partys oder sonst etwas, und sie versteht sich nicht mit ihrer Mutter. Gewiss, Sonia meckert an ihr herum und bevormundet sie und packt überhaupt alles falsch an, sie ist eine taktlose Person, aber sie hat vollkommen recht, verstehst du. Polly muss ihr eigenes Leben führen, Kinder, eine Beschäftigung, Interessen – eben einen Platz im Leben –, und dazu braucht sie nun mal einen Mann.«
»Oder eine der zärtlichen Ladys von Llangollen«, sagte Victoria.
»Zeit, dass du ins Bett kommst, Fräulein, ab mit euch, beide.«
»Ich noch nicht. Es ist noch längst nicht Schlafenszeit.«
»Ich habe gesagt: beide. Ab jetzt.«
So langsam, wie sie sich getrauten, schlichen sie aus dem Zimmer, aber oben auf den Dielen vor den Kinderzimmern stampften sie so laut, dass niemand im Haus es überhören konnte, »Aufzugschacht wird Todesfalle«.
»Diese Kinder lesen zu viel«, sagte Tante Sadie. »Aber ich kann sie nicht daran hindern. Ich bin überzeugt, wenn sie nichts anderes
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