Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
Vom Netzwerk:
hätten, würden sie noch die Etiketten auf den Arzneiflaschen lesen.«
    »Also, gerade Etiketten auf Arzneiflaschen lese ich für mein Leben gern«, sagte Davey, »sie sind irrsinnig unterhaltsam, weißt du.«

12
    Als ich am nächsten Morgen zum Frühstück nach unten kam, saßen alle, selbst die Kinder, ganz betrübt da. Irgendeine geheimnisvolle Buschtrommel hatte Tante Sadie die Nachricht zugetragen, dass Lady Patricia in dieser Nacht gestorben war. Ganz plötzlich war sie zusammengebrochen, man hatte zu Lord Montdore geschickt, aber als er schließlich kam, hatte sie das Bewusstsein schon verloren, und eine Stunde später war sie tot.
    »Die arme Patricia«, sagte Tante Sadie immer wieder tief betrübt, und Onkel Matthew, dem leicht die Tränen kamen, wischte sich die Augen, während er sich weniger begeistert als sonst über den warmen Teller beugte und ein Würstchen oder, wie er es nannte, einen »Knalldarm« nahm.
    »Letzte Woche habe ich sie noch in Oxford gesehen«, sagte er, »am Clarendon Yard.«
    »Ja«, sagte Tante Sadie, »du hast es mir erzählt, ich erinnere mich. Arme Patricia, ich hatte sie immer so gern, obwohl natürlich ihre Hinfälligkeit immer etwas anstrengend war.«
    »Jetzt siehst du selbst, dass sie hinfällig war«, sagte Davey triumphierend. »Sie ist tot. Es hat sie umgebracht. Begreift ihr immer noch nicht? Wenn ich euch Radletts bloß klarmachen könnte, dass es so etwas wie eine eingebildete Krankheit nicht gibt. Niemand, der wirklich gesund ist, würde je den ganzen Verdruss auf sich nehmen, den zum Beispiel ich über mich ergehen lasse, um mein Gerippe auf den Beinen zu halten.«
    Die Kinder begannen zu kichern, und sogar Tante Sadie schmunzelte, denn alle wussten, dass hier von Verdruss nicht die Rede sein konnte, dass dieser »Verdruss« vielmehr eine Beschäftigung war, die Davey ganz und gar fesselte und die er über die Maßen genoss.
    »Natürlich, ich weiß, ihr haltet das bloß für einen großen Witz, und Jassy und Victoria werden wahrscheinlich kreischen vor Lachen, wenn ich dereinst den Löffel weglege, aber für mich ist es kein Witz, das kann ich euch sagen, und auch für die arme Patricia war eine Leber in diesem Zustand bestimmt nicht sehr lustig, von anderem nicht zu reden.«
    »Arme Patricia, ich fürchte, es war ein trauriges Leben mit diesem langweiligen alten Lektor.«
    Typisch Tante Sadie! Nachdem sie jahrelang gegen den Namen »Lektor« für Boy Dougdale protestiert hatte, benutzte sie ihn jetzt selbst, so ging es immer; demnächst würden wir sie »Aufzugschacht wird Todesfalle« singen hören.
    »Aus irgendeinem Grund, den ich nie verstanden habe, hat sie ihn wirklich geliebt.«
    »Jedenfalls bis vor Kurzem«, meinte Davey. »Ich glaube, im letzten Jahr oder noch etwas früher hat sich das Verhältnis umgekehrt, da war er eher von ihr abhängig gewesen, aber das kam zu spät, da war er ihr schon gleichgültig geworden.«
    »Möglich. Jedenfalls kam es, wie es kam, und alles ist sehr traurig. Wir müssen einen Kranz schicken, Liebling, und zwar sofort. Ausgerechnet in dieser Jahreszeit – wahrscheinlich müssen wir ihn aus Oxford kommen lassen – oh, diese Geldverschwendung!«
    »Schick einen Kranz aus Froschlaich, Froschlaich, Froschlaich, schöner, guter Froschlaich ist das Beste auf der Welt«, sang Jassy.
    »Wenn ihr weiter so albern seid, Kinder«, sagte Tante Sadie, die einen Ausdruck äußersten Missfallens auf Alfreds Gesicht entdeckt hatte, »werde ich euch zur Schule schicken müssen, verstanden?«
    »Aber kannst du dir das auch leisten?«, fragte Victoria. »Du müsstest uns Turnschuhe und Turnhemden und Unterwäsche in einem anständigen Zustand kaufen und gute, solide Koffer und Taschen. Ich habe Mädchen ins Internat abreisen sehen, die waren über und über mit teuren Sachen behängt. Wir möchten natürlich unbedingt hin, die Vertrauensschülerinnen anhimmeln und nachts im Schlafsaal quatschen. Die Schule hat eine sehr erotische Seite, weißt du, Sadie – allein schon das Wort ›Lehrkörper‹, nicht wahr …«
    Aber Tante Sadie hörte gar nicht zu; sie saß auf ihrer Wolke und sagte bloß: »Hm, sehr ungezogen und albern, außerdem sollt ihr nicht immer Sadie zu mir sagen.«
    Tante Sadie und Davey fuhren zusammen zur Beerdigung. Onkel Matthew hatte an diesem Tag »Gericht« und wollte die Sitzung diesmal auf keinen Fall verpassen, wollte vielmehr dafür sorgen, dass ein bestimmter Bösewicht, der an diesem Tag erscheinen sollte, vor ein

Weitere Kostenlose Bücher