Liebe unter kaltem Himmel
Schwurgericht gestellt wurde, wo er hoffentlich mehrere Jahre bekommen würde und außerdem die neunschwänzige Katze. Einige Richterkollegen von Onkel Matthew hegten in Fragen der Justiz allerlei verschrobene moderne Ideen, sodass er genötigt war, gegen sie einen energischen Krieg zu führen, bei dem ihm ein pensionierter Admiral aus der Nachbarschaft tatkräftig zur Seite stand.
Deshalb hatten Tante Sadie und Davey ohne ihn zur Beerdigung fahren müssen und kamen in gedrückter Stimmung zurück.
»Es bröckelt im Gemäuer«, sagte Tante Sadie. »Ich habe immer Angst vor dem Tag gehabt, an dem es beginnt. Bald werden wir alle nicht mehr da sein – na ja, macht nichts.«
»Unsinn«, meinte Davey munter. »Die moderne Wissenschaft wird uns noch so manchen langen Tag jung und am Leben erhalten. In Patricias Körper muss es furchtbar ausgesehen haben – ich hatte ein kurzes Gespräch mit Dr. Simpson, während du bei Sonia warst, und es ist offenbar ein wahres Wunder, dass sie nicht schon vor Jahren gestorben ist. Wenn die Kinder zu Bett sind, erzähle ich es dir.«
»Nein, danke«, sagte Tante Sadie, während die Kinder ihn anflehten, er möge auf der Stelle mit in den Wäscheschrank der Hons kommen und ihnen alles erzählen.
»Das ist unfair, Sadie will nichts davon hören, und wir sterben vor Neugier.«
»Wie alt war Patricia eigentlich?« fragte Tante Sadie.
»Älter als wir«, sagte Davey. »Ich erinnere mich, als die beiden heirateten, hieß es, sie sei um einiges älter als Boy.«
»Aber in der windigen Kälte da draußen sah er aus wie hundert.«
»Auf mich machte er einen furchtbar mitgenommenen Eindruck, der arme Boy.«
Bei einem kleinen Geplauder am Grab mit Lady Montdore hatte Tante Sadie erfahren, dass dieser Tod für alle völlig überraschend gekommen war; zwar hatten sie gewusst, dass sich Lady Patricia keineswegs bei bester Gesundheit befand, aber dass sie in unmittelbarer Gefahr schwebte, hatte niemand geahnt; und sie selbst hatte sich so sehr auf die Reise gefreut, zu der sie in der folgenden Woche mit ihrem Mann aufbrechen wollte. Lady Montdore, die den Tod verabscheute, fand es offenbar einfach rücksichtslos, dass ihre Schwägerin den kleinen Familienkreis so plötzlich hatte aus den Fugen geraten lassen, und Lord Montdore, der seine Schwester sehr geliebt hatte, war von der mitternächtlichen Autofahrt und der anschließenden Totenwache noch furchtbar erschöpft gewesen. Am härtesten aber hatte es überraschenderweise Polly getroffen. Sie hatte sich, wie es schien, heftig erbrochen, als sie die Nachricht erfuhr, hatte zwei Tage das Bett gehütet und sah noch immer so krank aus, dass ihre Mutter sich geweigert hatte, sie mit zur Beerdigung zu nehmen.
»Ein bisschen seltsam ist das schon«, meinte Tante Sadie. »Ich hatte keine Ahnung, dass sie Patricia so gern gehabt hat, wusstest du das, Fanny?«
»Der Nervenschock«, sagte Davey. »Ich glaube, sie hat noch nie einen Todesfall in nächster Nähe erlebt.«
»Aber sicher hat sie«, meinte Jassy. »Ranger.«
»Hunde sind nicht dasselbe wie Menschen, meine liebe Jassy.«
Doch für die Radletts waren sie genau dasselbe, mit dem einen Unterschied, dass ihnen Hunde meistens wirklicher vorkamen als Menschen.
»Erzähl von dem Grab«, sagte Victoria.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen, wirklich«, sagte Tante Sadie. »Einfach ein Grab, weißt du, viele Blumen und viel Matsch.«
»Sie hatten es mit Heidekraut eingefasst«, sagte Davey, »aus Craigside. Die arme Patricia, sie hat Schottland wirklich geliebt.«
»Und wo liegt es?«
»Auf dem Friedhof natürlich, in Silkin – zwischen der Gruft der Wellingtons und der Gruft der Bloods, wenn du weißt, was ich meine. Boy kann es übrigens von seinem Schlafzimmerfenster aus sehen.«
Nun begann Jassy sehr schnell und sehr ernsthaft zu reden.
»Ihr müsst mir versprechen, dass ihr mich hier beerdigt, egal, was geschieht, tut ihr das, ja? Ich will an eine ganz bestimmte Stelle, ich sehe sie jedes Mal, wenn ich zur Kirche gehe, gleich neben der alten Dame, die fast hundert geworden ist.«
»Das ist doch gar nicht unser Teil des Friedhofs – meilenweit von Großvater entfernt.«
»Schon, aber da möchte ich hin. Ich habe mal ein winziges totes Wühlmausbaby dort gesehen. Bitte, bitte, vergesst es nicht.«
»Bis dahin hast du längst irgendeinen Gulli geheiratet und wohnst bei den Antipoden«, sagte Onkel Matthew, der gerade hereingekommen war. »Sie haben den Dreckskerl laufen lassen,
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