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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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war natürlich fasziniert. Mit diesem Puzzleteil, das mir bisher gefehlt hatte, war plötzlich alles völlig klar, und ich konnte gar nicht mehr begreifen, wie ich so dumm sein und es übersehen konnte.
    »Polly hat es ihr gesagt«, meinte Tante Sadie. »Einfach so! Sie hatten Boy seit der Beerdigung nicht gesehen, weil er stark erkältet war und nicht aus dem Haus ging – Sonia hatte sich ebenfalls eine schlimme Erkältung geholt, die sie noch immer nicht los ist, aber er hatte jeden Tag mit Sonia telefoniert, wie immer. Gestern fühlten sich beide etwas besser, und er fuhr nach Hampton hinüber, brachte die Briefe mit, die er wegen der armen Patricia von Infantinnen und allen möglichen Leuten bekommen hatte, an denen haben sie sich ein bisschen getröstet, und dann folgte eine lange Diskussion darüber, was auf den Grabstein gesetzt werden soll. Anscheinend haben sie sich auf den Satz: ›Sie wird nicht altern, wir indessen müssen ausharren und altern‹ geeinigt.«
    »Unfug!«, sagte Jassy. »Sie war doch schon alt.«
    »Was heißt hier alt? Ein paar Jahre älter als ich«, sagte Davey.
    »Na, eben …!«, sagte Jassy.
    »Jetzt reicht es, Fräulein! Sonia sagt, er habe sehr bedrückt und unglücklich ausgesehen, habe über Patricia gesprochen und wie viel sie ihm bedeutet habe und wie leer das Haus jetzt ohne sie sei – was man nach dreiundzwanzig Ehejahren eben so erwartet. Der alte Heuchler! Also, sie dachten, er würde zum Dinner bleiben – ohne sich umzuziehen, wegen seiner Erkältung. Sonia und Lord Montdore gingen zum Umkleiden nach oben, und als Sonia wieder herunterkam, saß Polly, immer noch im Tageskleid, auf dem weißen Bärenfell am Kamin. Sonia sagte: ›Was machst du denn da, Polly? Es ist schon spät. Steh auf und zieh dich um. Wo ist Boy?‹ Polly stand auf, reckte sich und sagte: ›Er ist nach Hause gefahren, und ich muss dir etwas sagen. Boy und ich werden heiraten!‹ Zuerst wollte Sonia es natürlich nicht glauben, aber ihr wisst ja, Polly macht keine Witze, und bald erkannte Sonia, dass Polly es todernst meinte. Da wurde sie wütend, rasend vor Wut – ich kann sie gut verstehen –, sie fiel über Polly her und ohrfeigte sie, und Polly stieß ihre Mutter in einen Sessel und ging nach oben. Ich nehme an, Sonia war inzwischen vollkommen hysterisch; jedenfalls klingelte sie nach ihrem Mädchen und ließ sich nach oben und sofort zu Bett bringen. Währenddessen zog Polly sich um, kam wieder nach unten und verbrachte den Abend seelenruhig mit ihrem Vater, ohne auch nur ein Wort über die ganze Sache zu verlieren, sie sagte ihm nur, Sonia habe Kopfschmerzen und würde deshalb nicht mitessen. So musste die arme Sonia es ihm heute Morgen auch noch selbst erzählen, sie sagt, es sei furchtbar gewesen, weil er Polly doch so vergöttert. Dann hat sie versucht, Boy anzurufen, aber dieser Feigling ist verreist oder tut jedenfalls so und hat keine Adresse hinterlassen. Hat man so etwas je gehört?«
    Ich war sprachlos.
    Davey sagte: »Persönlich und in meiner Eigenschaft als Onkel muss ich sagen: Wirklich leid tut mir vor allem der arme Boy.«
    »Nicht doch, Davey, was für ein Unsinn! Überleg doch mal, was die Montdores durchgemacht haben – als sie heute Morgen versuchten, ihr die Sache auszureden, da hat sie ihnen erzählt, dass sie sich schon vor Indien, als vierzehnjähriges Mädchen, in ihn verliebt hat.«
    »Ja, das klingt sehr wahrscheinlich, aber woher wissen wir, dass er wollte, dass sie sich in ihn verliebt. Wenn ihr mich fragt, ich glaube, er hatte nicht die leiseste Ahnung.«
    »Also, Davey, vierzehnjährige Mädchen verlieben sich nicht, ohne dass man sie ermuntert.«
    »Leider doch«, mischte sich Jassy ein, »sieh mich an und Mr Fosdyke. Nie hat er mir auch nur ein Wort, einen freundlichen Blick geschenkt, und trotzdem ist er der Glanz meines Lebens.«
    Mr Fosdyke war der Master of the Foxhounds der Gegend.
    Ich fragte, ob denn Lady Montdore von alledem etwas geahnt habe, dabei wusste ich im Grunde schon, dass es nicht so war, denn sie konnte nichts für sich behalten, und weder sie noch Polly hätten fortan eine ruhige Minute gehabt.
    »Nichts, überhaupt nichts, es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wir wissen, die arme Sonia hat ihre Fehler, aber ich finde, das hat sie nicht verdient. Sie sagt, Boy habe immer angeboten, sich um Polly zu kümmern, wenn sie in London waren, zur Royal Academy und so weiter, und Sonia sei froh darüber gewesen, weil das Kind sonst anscheinend

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