Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
Vom Netzwerk:
sehr gern.«
    »Ich glaube sogar, du hast recht, Fanny. Sonia hat selbst gesagt, als sie heruntergekommen sei und Polly auf dem Fußboden saß, da sei ihr sofort der Gedanke gekommen, ›das Mädchen sieht aus, als hätte es sich der Liebe hingegeben‹, noch nie habe sie so ausgesehen, rot im Gesicht, die Augen weit aufgerissen, eine zerzauste Locke in der Stirn – ihr Äußeres habe sie sehr überrascht, und dann habe Polly es ihr erzählt …«
    Ich konnte mir die Szene genau vorstellen, wie Polly auf dem Kaminvorleger sitzt, es war eine typische Haltung von ihr, wie sie langsam aufsteht, sich reckt und dann mit unbekümmerter Anmut die grausamen Banderillas wirft – erste Phase in einem Kampf, der nur mit dem Tod enden konnte.
    »Ich vermute«, so sagte ich, »er hat sie ein bisschen gestreichelt, als sie vierzehn war, und sie hat sich in ihn verliebt, ohne dass er es wusste. Polly vergräbt immer alles tief in sich, und ich glaube nicht, dass zwischen ihnen noch etwas gewesen ist, bis zu dem Abend neulich.«
    »Es ist einfach grässlich«, sagte Tante Sadie.
    »Trotzdem, Boy hat bestimmt nicht erwartet, dass er sich dort so plötzlich verloben würde, sonst hätte er sich doch nicht so lange mit Sonia über die Briefe der Infantinnen und den Grabstein unterhalten, oder?«, sagte Davey. »Ich glaube, was Fanny sagt, stimmt.«
    »Ihr habt geredet – das ist unfair –, Fannys Hände stinken noch immer nach Fisch.« Die Kinder waren außer Atem.
    »Ich frage mich, was Onkel Matthew und Lord Montdore im Geschäftszimmer besprochen haben«, sagte ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sich eine solche Geschichte zwischen ihnen entfalten sollte.
    »Sie haben sich über dies und das unterhalten«, sagte Tante Sadie. »Nachher habe ich es Matthew dann erzählt, so wütend habe ich noch nie jemanden gesehen. Aber ich habe euch noch gar nicht gesagt, weshalb Sonia eigentlich da war. Sie schickt Polly für ein, zwei Wochen zu uns.«
    »Nein!«, riefen wir alle im Chor.
    »Ist ja hinreißend!«, rief Jassy. »Aber warum denn?«
    »Polly möchte kommen, es war ihre Idee, und Sonia will sie im Moment einfach nicht sehen, was ich gut verstehen kann. Ich muss sagen, zuerst habe ich gezögert, aber ich mag das Mädchen so gern, ich mag sie wirklich, und wenn sie daheim bleibt, dann hat ihre Mutter sie in einer Woche so weit gebracht, dass sie durchbrennt. Wenn sie hierherkommt, können wir sie von dieser schrecklichen Heirat vielleicht ein bisschen abbringen – ich meine nicht euch, Kinder. Ihr werdet euch bitte einmal im Leben zusammenreißen und taktvoll sein.«
    »Ich ganz bestimmt«, sagte Jassy ernsthaft, »aber mit der lieben kleinen Vicki würde ich an deiner Stelle noch mal reden, die ist nämlich taktleer, und ich persönlich halte es für einen großen Fehler, dass du ihr überhaupt etwas erzählt hast – au – Hilfe! Hilfe! – Sadie, sie bringt mich um …«
    »Ich meine euch beide«, sagte Tante Sadie gelassen und kümmerte sich nicht um das Handgemenge zwischen ihnen, »ihr könnt beim Dinner von den Döbeln erzählen, das dürfte ein unverfängliches Thema sein.«
    »Wie bitte?«, sagten sie und hörten auf zu ringen. »Kommt sie etwa schon heute?«
    »Jawohl. Nach dem Tee.«
    »Wie aufregend. Glaubst du, der Lektor lässt sich, in einem Holzsack versteckt, ins Haus schmuggeln?«
    »Unter meinem Dach werden sie sich nicht treffen«, sagte Tante Sadie mit fester Stimme. »Das habe ich Sonia versprochen, aber ich habe ihr natürlich auch gesagt, dass ich nicht kontrollieren kann, was Polly anderswo treibt, das kann ich nur ihrem guten Geschmack überlassen, solange sie bei uns wohnt.«

14
    Polly ließ bald erkennen, dass Tante Sadie für den Aufenthalt in Alconleigh nichts zu fürchten brauchte. Ihre Selbstbeherrschung war vollkommen, und das einzige Anzeichen für die Krise, in die ihr Leben geraten war, bestand darin, dass sie eine Freude ausstrahlte, durch die sich ihre Erscheinung völlig veränderte. Nichts von dem, was sie sagte oder tat, war ungewöhnlich, und nie wäre man auf die Idee gekommen, dass sie erst kürzlich einige außerordentlich dramatische Szenen erlebt hatte, und es war offensichtlich, dass sie zu Boy keine Verbindung unterhielt. Dem Telefon näherte sie sich nie, saß auch nicht da und kritzelte den ganzen Tag Briefe, bekam selbst nur wenig Post und keine, so berichteten mir die Kinder, mit dem Stempel von Silkin; sie ging kaum aus dem Haus, und wenn, dann nur, um mit uns anderen

Weitere Kostenlose Bücher