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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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die ihn nicht unwiderstehlich fanden, und sie dachte, wenn Polly dazu gebracht werden könnte, sich die körperliche Seite der Ehe vorzustellen, würde sie sich vielleicht für immer von ihm abkehren.
    Aber Jassy erkannte völlig richtig: »Ist Sadie nicht zum Schreien? Sie begreift einfach nicht, dass die scheußlichen Sachen, die der Lektor mit Polly angestellt hat und die er ja auch mal bei Linda und mir versucht hat, genau das waren, was sie in seine Arme getrieben hat, und dass sie jetzt nichts sehnlicher wünscht, als sich in einem Doppelbett mit ihm zu wälzen, zu wälzen und noch mal zu wälzen.«
    »Ja, auf dem Gebiet der Psychologie ist die arme Sadie nicht besonders helle«, sagte Victoria. »Ich behaupte, die einzige Hoffnung, Polly von ihrer Onkelfixierung zu heilen, besteht darin, dass man sie analysiert. Sollen wir mal versuchen, ob sie uns lässt?«
    »Kinder, das kommt überhaupt nicht in Frage, auf gar keinen Fall«, sagte ich entschlossen, »und wenn ihr es doch versucht, erzähle ich Tante Sadie, dass ihr gelauscht habt, also!«
    Ich wusste, die beiden würden Polly schauderhafte Fragen stellen, und da sie ziemlich spröde war, würde es sie schockieren und wütend machen. Jassy und Victoria beschäftigten sich gerade sehr intensiv mit Theorie und Praxis der Psychoanalyse. Ihnen war ein Buch über dieses Thema in die Hände gefallen (»In Ellistons Leihbücherei, hättest du das für möglich gehalten?«), dann folgten mehrere Tage ungestörter Ruhe, in denen sie es einander im Wäscheschrank der Hons vorlasen, und schließlich schritten sie zur Tat.
    »Lasst euch analysieren«, krakeelten sie, »wir beseitigen das Gift, das euer Seelenleben hemmt, indem wir euch alles über euch sagen. Vielleicht sollten wir mit Fa anfangen, er ist der einfachste Fall im Haus.«
    »Was heißt hier einfach?«
    »Für uns das kleine Einmaleins. Nein, nicht die Hand, Alterchen, über die Chiromantie sind wir hinaus, wir betreiben Wissenschaft.«
    »Na, dann lasst mal hören.«
    »Also, du bist ein vollkommen klarer Fall von Frustration – wolltest Wildhüter sein und musstest Lord werden –, gefolgt von der in solchen Fällen üblichen Ausbildung einer Überkompensation, sodass du jetzt ein Psychoneurotiker vom obsessiv-hysterischen Typus auf der Grundlage einer paranoiden und schizoiden Persönlichkeit bist.«
    »Kinder, so redet man nicht mit seinem Vater.«
    »Wissenschaftlichen Wahrheiten muss man sich fügen, Sadie, und unserer Erfahrung nach freut sich jeder, wenn er etwas über sich selbst erfährt. Hast du etwas dagegen, wenn wir dein Intelligenzniveau mit einem Tintenklecks testen, Fa?«
    »Wie das?«
    »Wir könnten es mit euch allen machen und dann eine Tabelle aufstellen, wenn ihr wollt. Es ist ganz einfach, man zeigt der Untersuchungsperson einen gewöhnlichen Tintenklecks auf weißem Papier, und je nachdem, was für ein Bild der Einzelne darin erkennt (ihr versteht, was ich meine: sieht es aus wie eine Spinne oder wie der Himalaja?, jeder sieht etwas anderes), kann ein geübter Fragensteller sofort das Intelligenzniveau des Befragten bestimmen.«
    »Und seid ihr geübte Fragensteller?«
    »Also, wir haben schon untereinander und mit allen Joshs und mit Mrs Aster geübt. Die Ergebnisse haben wir in unseren wissenschaftlichen Notizbüchern festgehalten, also los.«
    Onkel Matthew betrachtete den Klecks eine Weile und meinte dann, in seinen Augen sehe er ganz so aus wie ein gewöhnlicher Tintenklecks, und er erinnere ihn eigentlich nur an Stephens’ Schwarzblau .
    »Wie ich befürchtet hatte«, sagte Jassy, »eindeutig untermenschliches Niveau – selbst das Baby der Joshs hat mehr gebracht. O je, Untermenschenniveau, schlimm …«
    Jetzt hatte Jassy die Grenze in dem immerwährenden Tom-Tiddler-Spiel überschritten, bei dem Onkel Matthew der Fänger war und die anderen versuchen mussten, in sein scharf bewachtes Gebiet einzudringen. In einem plötzlichen Wutanfall brüllte er los und scheuchte sie ins Bett. Im Fortgehen sang sie »paranoid und schizoid, paranoid und schizoid«, es war der Nachfolgevers von »Aufzugschacht wird Todesfalle«. Später erklärten mir die beiden noch: »Es ist natürlich ziemlich bedrohlich für uns alle, denn ob man nun an Vererbung oder Umwelteinflüsse glaubt, in der Klemme stecken wir so und so mit diesem Untermenschen von Vater.«
    Davey kam zu dem Entschluss, es sei nur freundlich, wenn er seiner alten Freundin Lady Montdore einen Besuch machte, also rief er sie an

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