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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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Fanny großgezogen haben.«
    »Also Davey! Nie wart ihr streng«, rief ich, »kein bisschen. Ihr habt mir immer alles durchgehen lassen.«
    »Ja, da hat sie recht«, sagte Tante Sadie. »Fanny durfte alle möglichen schrecklichen Dinge tun … vor allem, nachdem sie eingeführt war. Sich die Nase pudern, allein reisen, mit jungen Männern im Taxi fahren – ist sie nicht sogar mal in einem Nachtklub gewesen? Zum Glück für euch ist sie von Natur aus so brav, obwohl mir das unbegreiflich ist, bei den Eltern.«
    Davey erzählte auch Polly, dass er bei ihrer Mutter gewesen sei, aber sie fragte nur: »Und wie geht es Daddy?«
    »Er war in London, Oberhaus, es ging um Indien. Deine Mutter machte keinen sehr guten Eindruck, Polly.«
    »Temperamentsfrage«, sagte Polly und ging aus dem Zimmer.
    Der nächste Besuch führte Davey nach Silkin. »Offen gestanden, ich kann es mir nicht verkneifen.« Auf gut Glück tuckerte er in seinem kleinen Wagen hinüber, nicht wissend, ob er den Lektor überhaupt antreffen würde. Der weigerte sich nämlich noch immer, ans Telefon zu kommen, und ließ mitteilen, er sei für ein paar Wochen verreist, aber eigentlich sprach alles dafür, dass er sich zu Hause aufhielt, und wie sich herausstellte, war es auch so.
    »Verstört, vereinsamt und trübsinnig, der arme Kerl, und er hat immer noch eine furchtbare Erkältung, die er einfach nicht loswird. Sonias böse Gedanken vielleicht. Auch er ist älter geworden. Sagt, er habe seit der Verlobung mit Polly niemanden gesehen – natürlich, in Silkin hat er sich eingeigelt, aber anscheinend glaubt er auch, die Leute, denen er ganz zufällig in der Bibliothek in London oder sonstwo begegnet, würden ihm aus dem Weg gehen, als wüssten sie schon Bescheid. Ich vermute, in Wirklichkeit liegt es daran, dass er in Trauer ist – oder sie wollten sich nicht bei ihm anstecken –, er ist jedenfalls ungeheuer empfindlich in dieser Sache. Und dann – er hat es zwar nicht gesagt, aber man sieht, wie sehr Sonia ihm fehlt – kein Wunder, nachdem er sie all die Jahre hindurch täglich gesehen hat. Auch Patricia scheint ihm zu fehlen.«
    »Hast du offen mit ihm über Polly gesprochen?«, fragte ich.
    »Oh, ganz offen. Er sagt, das Ganze sei von ihr ausgegangen, es sei überhaupt nicht seine Idee gewesen.«
    »Ja, das stimmt. Das hat sie mir auch erzählt.«
    »Und wenn du mich fragst: Es hat ihm einen furchtbaren Schlag versetzt. Er kann natürlich nicht widerstehen, aber es hat ihm einen Schlag versetzt, und er glaubt, er werde in Zukunft ein geächteter Mann sein. Diese Karte hätte Sonia ausspielen können, wenn sie klug gewesen wäre und alles vorausgesehen hätte. Nachdem die Worte einmal ausgesprochen sind, ist es natürlich zu spät, aber wenn sie Boy vor den wahrscheinlichen Folgen gewarnt und ihm klargemacht hätte, dass er in den Augen der Gesellschaft ein für alle Mal erledigt sein würde – ich glaube, sie hätte die Sache aufhalten können. Schließlich ist er ungeheuer gesellig, der arme Kerl. Verbannung wäre etwas Schreckliches für ihn. In Wirklichkeit, aber das habe ich ihm nicht gesagt, werden die Leute natürlich sofort zurückkehren, wenn sie erst geheiratet haben.«
    »Aber du glaubst doch nicht, dass sie wirklich heiraten werden?«, fragte Tante Sadie.
    »Meine liebe Sadie, nach zehn Tagen unter einem Dach mit Polly zweifele ich keinen Augenblick daran. Im übrigen weiß Boy, dass er nicht mehr zurückkann, ob es ihm gefällt oder nicht – und halb gefällt es ihm natürlich sehr. Aber er fürchtet die Folgen, auch wenn es gar keine geben wird. Die Leute haben kein Gedächtnis für diese Dinge, und eigentlich gibt es ja auch nichts zu vergessen, von schlechtem Geschmack einmal abgesehen.«
    »Detournement de jeunesse?«
    »Ein gewöhnlicher Mensch käme nicht auf den Gedanken, dass sich Boy an Polly herangemacht haben könnte, als sie klein war, auch wir wären nicht darauf gekommen, wenn wir nicht von der Sache mit Linda erfahren hätten. In ein paar Jahren weiß kein Mensch außerhalb der Familie mehr, was der Grund für die ganze Aufregung war.«
    »Ich fürchte, du hast recht«, sagte meine Tante. »Man braucht sich nur die Hopse anzusehen! Ein grässlicher Skandal nach dem anderen, sie brennt durch, Prügeleien, sie setzt sich selbst als Preis in einer Lotterie aus, Kannibalenkönige – was weiß ich alles –, Schlagzeilen in den Zeitungen, Verleumdungsklagen, aber kaum taucht sie in London auf, da reißen sich ihre Freunde

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