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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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irren sich. Wahrscheinlich hat es keinen Zweck, wenn ich dir das sage, Polly, denn ich sehe, du hast dich entschieden, aber da du noch dein ganzes Leben als Ehefrau vor dir hast, warum machst du nicht zuerst einmal das Beste aus deinem Mädchendasein? Diese Zeit kommt nie wieder. Du bist doch erst zwanzig. Warum hast du es so eilig?«
    »Ich hasse das Mädchendasein, ich habe es immer gehasst, seit ich groß bin«, sagte Polly, »und außerdem – glauben Sie wirklich, ein ganzes Leben sei zu lang für das vollkommene Glück? Ich nicht.«
    Tante Sadie seufzte tief.
    »Ich frage mich, warum alle Mädchen den Stand der Ehe für das vollkommene Glück halten. Ob das der Trick ist, mit dem Mutter Natur sie in die Falle lockt?«
    »Liebe Lady Alconleigh, seien Sie nicht so zynisch.«
    »Ja, du hast recht, das sollte ich nicht sein. Du hast dir deine Zukunft zurechtgelegt, irgendwelche Einwände werden dich nicht mehr davon abbringen, und trotzdem finde ich, du machst einen schrecklichen Fehler. Aber mehr sage ich dazu jetzt nicht. Ich werde den Wagen für den Zug um neun Uhr dreißig bestellen, und nimmst du für die Rückfahrt den Zug um vier Uhr fünfundvierzig oder den um sechs Uhr zehn?«
    »Den um vier Uhr fünfundvierzig bitte. Ich habe Boy gesagt, er soll mich um eins im Ritz treffen – ich habe ihm gestern eine Postkarte geschickt.«
    Und wirklich, wunderbarerweise hatte besagte Postkarte den ganzen Tag auf dem Tisch in der Vorhalle gelegen, ohne dass Jassy oder Victoria sie erspäht hatte. Die Jagd hatte wieder begonnen, und obwohl die beiden in zwei Wochen nur dreimal mit hinausdurften, trug die damit verbundene körperliche Erschöpfung einiges dazu bei, ihren Übermut zu zähmen. Was Onkel Matthew anging, der viermal in der Woche draußen war, so konnte er nach dem Tee kaum noch ein Auge offen halten, stehend nickte er in seinem Geschäftszimmer ein, während das Grammophon seine Lieblingsmelodien schmetterte. Alle paar Minuten zuckte er zusammen und machte einen Satz hinüber zum Apparat, um die Nadel und die Platte zu wechseln.
    An diesem Abend vor dem Dinner rief Boy an. Wir hatten uns alle im Geschäftszimmer versammelt und hörten Lakmé auf dem Grammophon, neue Opernaufnahmen, die soeben von Army & Navy eingetroffen waren. Mein Onkel knirschte mit den Zähnen, als die Tempelglöckchen von einem durchdringenden Läuten unterbrochen wurden, und biss sie dann wutentbrannt zusammen, als er die Stimme Boys vernahm, der Polly sprechen wollte. Aber er reichte ihr den Hörer und schob ihr mit der altmodischen Höflichkeit, die er gegenüber jenen walten ließ, denen er wohlgesinnt war, sogar einen Sessel hin. Nie behandelte er Polly wie eine junge Person, und ich glaube, er empfand ihr gegenüber wirklich etwas wie Ehrfurcht.
    Polly sagte: »Ja? Wie? Ja, sehr gut. Bis dann«, und legte auf. Selbst diese Nervenprobe konnte ihrer Gelassenheit nichts anhaben.
    Sie erklärte uns, Boy wolle das Treffen verlegen, er meine, es sei zwecklos, deswegen bis London zu fahren, und habe deshalb das Mitre in Oxford als bequemeren Treffpunkt vorgeschlagen.
    »Dann könnten wir doch zusammen in die Stadt fahren, Fanny?«
    Ich wollte ohnehin wieder einmal in meinem Haus nach dem Rechten sehen.
    »Er schämt sich«, sagte Davey, als Polly nach oben gegangen war. »Will nicht gesehen werden. Die Leute fangen an zu reden. Ihr wisst ja, dass Sonia nichts für sich behalten kann, und wenn die Clique von Kensington Palace erst mal Wind von etwas bekommen hat, ist es im Nu in ganz London herum.«
    »O je«, sagte Tante Sadie, »aber wenn man sie im Mitre sieht, ist es doch noch viel schlimmer. Ich mache mir Sorgen, ich habe Sonia zwar nur versprochen, dass sie sich nicht hier im Haus treffen. Ob ich es ihr sagen soll, was meinst du?«
    »Soll ich nach Silkin gehen und den Gulli abschießen?«, fragte Onkel Matthew im Halbschlaf.
    »O nein, Liebling, bitte tu das nicht. Was meinst du, Davey?«
    »Macht ihr euch etwa Sorgen um das alte Wolfsweib? Lieber Gott im Himmel, für die gibt doch keiner einen Hosenknopf!«
    Wenn Onkel Matthew Boy nicht so sehr gehasst hätte, dann hätte er Polly ebenso eifrig wie seine Töchter in allem beigestanden, was sich gegen Lady Montdore richtete.
    Davey sagte: »Ich würde mir deswegen keine Gedanken machen, Sadie. Polly war zwar vollkommen offen und ehrlich – aber stell dir vor, sie hätte nichts erzählt. Sie fährt doch andauernd mit Fanny nach Oxford, oder nicht? Ich würde ein Auge

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