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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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Kinderwagen ins Gedränge. Aber schließlich konnten wir uns daraus befreien und legten die Mäntel ab, woraufhin sie eine Tür öffnete und uns, ohne unsere Namen anzukündigen, in den scheußlichen Salon der Cozens schob. Dies alles unter der Begleitmusik von vier kläffenden Borderterriern.
    Ich erkannte sofort, dass ich mich falsch angezogen hatte. Später, als Norma mir die vielen schlimmen Fauxpas aufzählte, die ich mir an diesem Abend angeblich hatte zuschulden kommen lassen, sagte sie auch, von mir als Braut habe man erwartet, dass ich auf meiner ersten Dinnerparty mein Hochzeitskleid trug. Aber über diesen groben Schnitzer hinaus, war auch ein Jerseyoberteil, selbst wenn es aus Paris kam, als Abendgarderobe in den besseren Kreisen Oxfords offenbar nicht akzeptabel. Die anderen anwesenden Frauen waren entweder in Spitze oder in Marocain gewandet, mit Rückenausschnitten bis zur Taille und nackten Armen. Ihre Kleider waren in Beige gehalten, genau wie sie selbst. Nach einem kühlen Tag war der Abend kalt. Aber im häuslichen Herd der Cozens hatte niemand ein Feuer aufgeschichtet, auf dem Rost lag nur ein Stück zerknülltes Papier. Dennoch schienen diese nackten Damen nicht zu frieren; sie waren nicht blau und hatten keine Gänsehaut, wie ich sie gewiss bekommen hätte, und sie zitterten auch nicht. Ich sollte bald erfahren, dass der Sommer von Oxford in Akademikerkreisen als furchtbar heiß gilt, der Winter von Oxford hingegen als angenehm und erfrischend, dass aber von den Jahreszeiten dazwischen ebenso wenig Notiz genommen wird wie von den Auskünften des Thermometers; man registriert die Kälte einfach nicht. Abgesehen davon, dass ein Feuer fehlte, wirkte der Raum auch sonst außerordentlich trostlos. Das harte kleine Sofa und die harten kleinen Sessel waren mit Cretonnestoff von einem so blassen, trübseligen Muster bezogen, dass man sich kaum vorstellen konnte, wie jemand – auch wenn er Boreley hieß – beim Durchgehen verschiedener Cretonneproben in einem Geschäft plötzlich auffährt und sagt: »Halt, das ist genau das Richtige für mich!« Die Lampen waren nicht abgeschirmt, sie steckten in verchromten Leuchtkörpern, auf dem Fußboden lag kein Teppich, es gab nur ein paar rutschende Läufer, die Wände waren in einem kräftigen Cremeton gestrichen, aber Bilder, Kunstgegenstände, Blumen, die diese Einöde aufgelockert hätten, gab es nicht.
    Mrs Cozens, deren verkniffenes Boreley-Gesicht ich von den Jagden her kannte, an denen ich früher manchmal teilgenommen hatte, begrüßte uns einigermaßen herzlich, und der Professor trat mit einem schwachen Abglanz von Lord Montdores Manier auf uns zu, einer salbungsvollen Freundlichkeit, die ihren Ursprung vielleicht in der Kirche hatte, aber wenn sich Lord Montdore wie ein Kardinal gebärdete, dann war dieser Professor allenfalls der Hilfspastor. Es waren noch drei andere Paare zugegen, denen ich vorgestellt wurde, lauter Universitätsdozenten mit ihren Frauen. Der Anblick dieser Leute, unter denen ich von nun an leben würde, faszinierte mich. Sie waren hässlich und nicht besonders freundlich, aber, wie ich annahm, zweifellos sehr brillant.
    Die Speisen beim Dinner, die von der Schlampe in einem kahlen Esszimmer aufgetragen wurden, schmeckten so furchtbar, dass mir Mrs Cozens wirklich leid tat, denn ich dachte, irgendetwas sei gründlich schiefgegangen. Ich habe seither so viele Mahlzeiten dieser Art genossen, dass ich mich nicht mehr genau erinnere, was es gab; ich glaube, es begann mit Suppe aus der Büchse und endete mit trockenen Sardinen auf trockenem Toast, und dazu tranken wir einige Tropfen Weißwein. Aber sehr genau erinnere ich mich noch daran, dass die Unterhaltung keineswegs brillant war, was ich damals auf die schlimmen Speisen zurückführte, die wir uns einzuverleiben suchten, während ich heute weiß, dass es wahrscheinlich eher an der Gegenwart von Angehörigen des weiblichen Geschlechts lag; an schlechtes Essen sind Universitätsdozenten nämlich gewöhnt, aber in gemischter Gesellschaft erstarren sie. Sobald der letzte Sardinenschwanz vertilgt war, erhob sich Mrs Cozens vom Tisch. Wir kehrten in den Salon zurück und überließen die Männer dem weiteren Genuss des einzig Guten, was dieses Essen geboten hatte, und das war ein ausgezeichneter Port. Sie kamen erst wieder zum Vorschein, als es fast Zeit war zu gehen.
    Während wir um das zerknüllte Papier im Kamin saßen und Kaffee tranken, unterhielten sich die anderen Frauen über

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